Buch des Flüsterns
krumme Messer zum Bastschälen. Die Alten standen im Vorraum der Kirche und beteten, die Frauen schluchzten hinter den Zäunen, während die Männer, und zwar ausnahmslos alle, die Barrikade befestigten und durch schmale Lider in die Ferne spähten.
Der Wind hatte sich gelegt, kein Hund bellte, es war weder ein Flügelschlagen noch ein Krähenkrächzen zu hören. Niemand sprach. Plötzlich war ein Brummen zu hören, das ameisengleich den Boden durchzog und das sie zuerst an den Fußsohlen spürten, bevor sie es mit den Ohren vernahmen. Die Äste an den Bäumen begannen zu zittern, obwohl kein Wind ging. Die Panzer kommen, sagte sich Nițu Stan, der glaubte, geschrien zu haben, doch als er um sich schaute und die ratlos verwunderten Gesichter der anderen sah, merkte er, dass sie ihn nicht verstanden hatten, und plötzlich hatte er Mitleid mit ihnen und wollte ihnen zurufen, sie sollten abhauen, was können wir schon ausrichten mit unseren Barrikaden aus Brettern und Werg angesichts der Panzer, und wo werden wir uns vor ihren Haubitzen verstecken und vor dem kreisenden Feuer ihrer Maschinengewehre; aber seine Stimme war nicht mehr zu hören, denn in der Zwischenzeit hatte die große Glocke zu läuten begonnen. Die Leute schauten entsetzt zum Glockenturm, die Frauen unterdrückten ihr Weinen im Rachen, Dimoftes Frau mit gesegnet dickem Bauch erhob sich, die Hand vor dem Mund, die Alten schlugen noch mehr Kreuze, und die Glocke läutete, und das Zittern in der Luft, das vom Glockenschlagen herrührte, vermischte sich mit dem Zittern des Bodens, sodass man nicht mehr wusste, welches das verdammende Zittern und welches das segnende ist.
Radus Dana hat sie zuerst gesehen, sie wirkten wie ein grünlicher Streifen am Rande des Horizonts, der stetig größer wurde. Nițu Stan hatte mit einem Blick begriffen, dass sein Gewehrkolben und die Beile und Feldgerätschaften, mit denen man den Boden umgraben und im Wald Bäume fällen konnte, ganz und gar unnütz waren angesichts der zwei Panzer, die nun in einem Pulk Autos wie jene, mit denen man Maschinengewehre transportierte, auf die Brücke zufuhren.
Die Panzer blieben stehen und mit ihnen die Laster, die eine Kehre gefahren waren und mit der Ladefläche zur Barrikade zum Stehen kamen. Die Planen wurden hochgeschlagen, und tatsächlich kamen die langen und löchrigen Mündungsrohre von Maschinengewehren zum Vorschein. Den Lastern entstiegen ein paar Offiziere in Securitate-Uniformen, und an ihrer Spitze befand sich der untersetzte Mann mit der Militärmütze und der marineblauen Jacke. Sie blieben auf Höhe der Panzer stehen. Nun gingen auch ein paar Männer vor die Barrikade. Der kleine Mann erhob den rechten Arm, und sie glaubten, er wolle zu ihnen sprechen. Die Glocken waren verstummt.
Die Leute machten einen Schritt zurück. Neben Nițu Stan ging Costică Arbănuș in die Knie und öffnete sein Hemd über der Brust, das bei dieser ruckartigen Bewegung zerriss. An seiner Seite Aurică Dimofte, Stroie Crăciun und, das Beil fest umklammert, Ionică Areaua. Dann kamen nacheinander auch die anderen. Auf der Fahrerkabine des umgekippten Lasters stand wie erstarrt Dana und drückte ihr Kopftuch an die Brust.
Dann geschahen ein paar Dinge gleichzeitig. Jener Mann, Ceaușescu, ließ in einer schnellen Bewegung den rechten Arm herabsinken. Die Glocke begann wieder zu läuten und überdeckte das Sirren der Patronen, aber da blieben noch das Feuer aus den Mündungsrohren und das Blei, das die Luft füllte. Als Erster fiel Aurel Dimofte, er sank auf die Knie und schaute verwundert seine Hände an, die er an die Brust drückte, aus der das Blut hervorquoll, dann warfen ihn die Kugeln, die ihn nach wie vor trafen, aus der knienden Haltung flach auf den Rücken. Radus Dana wurde mit solcher Macht niedergemäht, dass sie erst einmal wie eine Stoffpuppe in die Höhe flog und vom Druck der Kugeln einige Augenblicke lang in der Luft gehalten wurde, bevor sie mit ausgebreiteten Armen auf das Blechdach des Lasters fiel. Den niedergeknieten Costică Arbănaș mieden die Kugeln auf schier wundersame Weise, aber er verharrte reglos, die Augenhöhlen leer, in einem Weinen, das er nicht einmal merkte. Nițu Stan warf sich auf den Boden und rollte sich an den Rand, aber er kroch zurück, Stroe Crăcium herüberzuziehen, der unablässig stöhnte: Lass mich nicht im Stich, Stan ..., bis ihm das Blut aus dem Mund schoss und ihn erstickte. Die Glocke läutete immer noch, als wäre der Glockenturm wie
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