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Buch des Flüsterns

Buch des Flüsterns

Titel: Buch des Flüsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Varujan Vosganian
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standen noch etwa zehn von denen mit den Knüppeln. Und ich sag: Gib mir einen Antrag, damit ich ihn durchles! Ach, komm, gehen wir zu dir nachhaus, sagt der da, der Mocanu, dort kannst du ihn in aller Ruhe durchlesen. Ich aber wusste, was ich wusste, denn bei uns zuhause konnte ich am allerschlechtesten abhauen. Nein, gib ihn mir einfach hier auf der Straße, wozu sollen mein Weib und die Kinder davon etwas erfahren. Und er gab ihn mir. Und sagt: Unterschreib hier unter diesen Zeilen. Ich aber sag: Nu lass uns doch erst mal lesen. Schau an: Ich trete freiwillig in die Elpege 18 ein, und der Mocanu nickt, bedeutet mir, ja, so ist es, ist doch klar. Ich aber sag: Wenn das freiwillig ist, wieso kommst du uns dann mit dem Zwang? Ich hab aber keine Antwort mehr abgewartet, hab ihm zwei Hiebe auf den Schädel verpasst und bin abgehauen ins Gebüsch der Sereth-Senke. Und von dort aus zu Verwandten nach Galați.
    Nachdem er sich der Knüppelhiebe auf den Kopf des Gheorghe Mocanu erinnert hat, scheint sich Vasile Niculițăs Gemüt etwas abgekühlt zu haben, und er verlangte nicht mehr, dass man ihn hinausbefördere, ja, er vergaß ihn schlichtweg. Er aber hatte nicht vergessen, vor allem die Schande, dass er sich ausgerechnet vor den Jungspunden seiner auswärtigen Agitatorengruppe mit dröhnendem Schädel vom Boden hochrappeln musste. Am nächsten Tag gingen die Werber und die Agitatoren in größeren Gruppen. Aber als sie sich in den Dorfstraßen gegenüberstanden, hier die Dorfbewohner mit Knüppeln, Äxten und Spaten und die Fremden auf der anderen Seite, traten diese, die über weniger Entschlusskraft verfügten, schließlich hatten sie weder ihren Boden zu verteidigen noch ihr Haus, auch nicht Frauen und Kinder, den Rückzug an. Die Dorfleute setzten ihnen nicht nach, sie schauten nur schweigend zu, wie sie sich davonmachten und jenseits der Brücke verschwanden.
    Aber ihre Freude währte nur kurz. Am Abend des 27. November tauchten die Polizeiwagen auf, unter der Anleitung von Dumitru Arbănaș – einer der Bedürftigen, der zum Bürgermeister gemacht worden war – fuhren sie durch das Dorf, und er wies ihnen die Häuser, in denen die Köpfe des Aufruhrs wohnten. Diejenigen Bauern, die nicht auf den guten Einfall gekommen waren zu fliehen, wurden unter vorgehaltenen Maschinenpistolen verhaftet. Die den Krieg mitgemacht hatten, erkannten diese Waffe und wussten, wie unerbittlich sie sein konnte. Sie wurden bis zur Bewegungsunfähigkeit verschnürt und wie die Schafe übereinander auf den Lkw geworfen. Die sich davongemacht hatten, wurden nach und nach auch eingefangen, aus dem Dickicht der Weidesträucher, aus dem jungen Wald, bei Verwandten, vom Hunger aus dem Versteck getrieben und vom Frost, vor Angst oder aufgrund der Furcht der Verwandten oder Bekannten, die gehört hatten, dass es ihnen genauso ergehen werde wie den Geflohenen, ja sogar noch übler, wenn sie jemanden in Schuppen oder Kellern verbergen.
    Jedes Mal, wenn ich von Galați nachhause kam, sagt Sterian Răducanu, machte ich halt bei Piscu, einem Gevatter. Er hatte eine Lampe im Haus brennen und beehrte mich mit etwas Brot und Speck sowie einem Schoppen Wein. Als ich nun aber zurückkam, brannte kein Licht, und das Tor war zugesperrt. Ich schmiegte mich an die Zäune, denn am Ende der Straßen stand je ein Auto mit Plane, ein ZIL, und bei jedem Auto waren so zwanzig, dreißig Mann. Die Leute standen hinter ihren Zäunen und schauten verängstigt, keiner hatte den Mut, das Tor zu öffnen. Ich schaffte es gerade noch, ungesehen zu entkommen. Aber seitlich in Vadu Roșca war der Himmel rot wie bei einer Feuersbrunst. Das Dorf brennt, sagte ich zu mir, die haben das Dorf angezündet.
    Also hatten die Werber ihre Lehren gezogen und trennten sich nicht mehr voneinander.
    Sie gingen fortan gemeinsam, zu Dutzenden. Zwei, drei Tage nach den Ereignissen in Suraia – sie ließen ein bisschen Zeit verstreichen, damit sich die Gerüchte verbreiten konnten und die Leute erschraken – kamen sie nach Vadu Roșca, etwa vierzig Mann mit zwei Autos, um in der Schule zu übernachten. Aber irgendwie hatten sie dabei einen Fehler gemacht, die Leute in Vadu Roșca waren nicht verschreckt, sondern vielmehr bösartig geworden. Es sprach sich schnell herum, und die Bauern versammelten sich mit Beilen und Fackeln und zwangen sie, sich in die Schule zu flüchten. Das hat sie gerettet, denn die Leute scheuten sich, mit Erdklumpen die Fensterscheiben der Schule einzuwerfen, oder

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