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Buch des Flüsterns

Buch des Flüsterns

Titel: Buch des Flüsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Varujan Vosganian
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gehen konnte. Er beteiligte sich an der Entwicklung der Securitate-Strukturen in der Dobrudscha, rekrutierte Leute, die so waren wie er selbst, die hassten und sich von der Angst nährten, die sie um sich herum verbreiteten.
    Zu dieser Zeit nahm Onik Tokatlian das Eiserne Kreuz von der Brust, das ihm kurz vor dem Einmarsch der Russen ins Land verliehen worden war, und legte es in die Schublade neben die Krone Rumäniens und die militärischen Verdienstorden, die er an der Ostfront erworben hatte, wo er Waffen hingeliefert und von wo er im Frühjahr 1944 in einem heillosen Durcheinander rumänische, slowakische und deutsche Soldaten und Offiziere sowie Kriegsmaterial aus der Umzingelung durch die Rote Armee evakuiert hatte. Nach Kriegsende kehrte Onik Tokatlian zurück in die Handelsmarine und befuhr von Constanța aus die Route durch das Mittelmeer nach Marseille. Aber wie für viele andere hatte der Krieg auch für ihn nicht aufgehört, und er rettete nach wie vor Eingekesselte. Nun wurde nicht mehr unter Nationen und Armeen Krieg geführt, dieser war tatsächlich beendet. Viel zu früh jedoch angesichts der Gründe, die ihn ausgelöst hatten. Dort, wo die Nationen sich nicht mehr bekriegten und nun endlich durchatmen wollten, begannen die Menschen der gleichen Nation gegeneinander Krieg zu führen. Statt der Geschosse töteten jetzt die Worte. Kalt und gnadenlos legte sich ein anderer Krieg über Europa, in dem das Wort der schlimmste Mörder war.
    Die Welt der Kaufleute aller Art sah sich jeden Schutzes beraubt. Es war immer schwieriger geworden, Waren aufzutreiben, die Börsen stöhnten, die Goldmünzen begannen im Boden zu verschwinden, wurden vergraben, verschwanden unter dem Putz der Häuser, unter den Fußböden, schlichen sich nächtens unter Eiden davon wie die Hausschlange. Das Papiergeld wurde immer größer und bunter, doch dabei stets wertloser. In Constanța drohten die Leute von Mesia Khacerian. Man konnte sie an ihren Ledermänteln erkennen, an der ausgebeulten Stelle unter der Achsel, wo sie das Pistolenhalfter trugen, und an ihren Schatten, die länger waren als die der anderen Leute. Da der Hafen zunehmend verödete, die Kräne reglos in Erwartung von Schiffen verharrten, die nicht mehr ankamen, die Handelswaren beschlagnahmt waren und die Schaufenster grau, von einer anderen Asche überzogen, jener eines Krieges, der nach anderen Regeln geführt wurde, leuchteten die Verkaufsbuden nur noch selten auf, bis auch ihre Rollläden endgültig unten blieben. In ein paar Jahren waren sämtliche Geschäfte geschlossen und aus den Handelsregistern ausradiert, an ihrer Stelle tauchten andere auf, traurig waren sie und ärmlich, auch trugen sie keine Namen oder hießen schlicht und einfach: »Brot«, »Tabakladen«, »Lebensmittel«, »Textilien« oder, um nun gar keine Verpflichtung für den Verkäufer oder etwa eine Hoffnung für den Kunden auszudrücken, schlicht »Geschäft«, anders als der großartige oder verrückte, stolze oder exotische Name der früheren Verkaufsläden mit den bunten Schaufenstern und dem glänzenden Straßenpflaster davor, das vielfach noch mit dicken, aus Karabach oder Buchara mitgebrachten Teppichen belegt war. Die Firmennamen hatten Noahs gesamte Arche versammelt: »Zum Truthahn« war Zadig Tațichians Laden, »Zum Tiger« der Laden von Agop Kazazian, »Zum Elefanten« hieß die ein ganzes Erdgeschoss einnehmende Firma von Puizant Sahabian, »Zum goldenen Löwen« war Chircor Siropians Geschäft, und »Zur Ameise« gehörte Ovanes Daghlarian, während »Zum Papagei« der Maria Grigorian gehörte, »Zur Taube« war das Geschäft des Krikor Selian, und »Zum Storchen« gehörte Levon Horasangian, »Zum Kamel« gehörte Pilibos Kevorkian und »Zum Hahn« Manuc Ovanesian, »Zum Reh« Agop Apcarian, »Zum Adler« der Maria Levonian, und »Der Auerochs« gehörte Onic Kazazian. Die Geschäfte der armenischen Kaufleute verzeichneten auch eine endlose Reise auf den Straßen des Orients: »Nach Indien« lud die Kolonialwarenbude von Ervant Krikor, »Nach Ägypten« verlockte, ebenfalls mit Kolonialwaren, Micael Arichian, »Zum Bosporus« gemahnte Chircor Diarbechirian und »Im Kaukasus« Aram Mariginian. Und dann noch »Arabien« – Nișan Ovanisian, »Nach Buchara« – Nubar Papazian, »In Ceylon« – Dicran Balian. Die Reise verlief nicht nur über die Straßen, sondern auch entlang der Nadir-Linie des Orients: »Am Mond« des Mardiros Zacarian, »Zur Venus« des Nazaret Aramian

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