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Buch des Flüsterns

Buch des Flüsterns

Titel: Buch des Flüsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Varujan Vosganian
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eingesunken gesessen und den Spaziergang der Redingoten und plissierten Röcke auf der Promenade betrachtet hatte, wurde abgerissen. Ohnehin wären ihm nun diese Treppenstufen nutzlos gewesen. Jetzt spazierte er über die Promenade, gefolgt von zwei Männern in Ledermänteln. Die Leute wichen ihm aus und betrachteten ihn ängstlich. Die Rache schritt ihm voran wie die Flötenspieler den Königen. Manch einer kannte ihn vom Sehen, andere meinten ihn zu erkennen, da sie den hinkenden Gang und das weiße Haar sahen, die unverdiente Aura. Das ist Mesia, flüsterten sie und mehrten mit ihrer neuen Angst das ohnehin schon von Ängsten überfüllte
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. Mesia, der Verkünder einer finsteren Welt.
    Im Unterschied zu Mesia hatte Dinar Marcarian das Abendlyzeum absolviert und war Sekretär der armenischen Schule von Constanța. Er hatte ein sanftes Gesicht und eine weiche Stimme. Obwohl er später dann General der Securitate geworden ist und eine Weile das kommunistische Rumänien in den Institutionen der Vereinten Nationen in Genf vertreten hatte, hat er sich seinen Sanftmut, der auf die Menschen seiner Umgebung ungewohnt wirkte, bewahrt. Im
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werden Sie die unterschiedlichsten Personen vorfinden; die einen ziehen namen- und gesichtslos dahin, anonyme und kollektive Gestalten, die sich häufig unter der Last der Quersäcke und Waffen kaum auf den Beinen halten können, sie kennen anscheinend weder Anfang noch Ende und strahlen gerade deshalb eine gleichmütige Traurigkeit aus. Die kollektiven Personen trugen das Siegel des zwanzigsten Jahrhunderts. Aufgrund der Kriege, Diktaturen, Deportationen und Massaker überwogen die Gemeinsamkeiten in den Biografien die Unterschiede. Auch gibt es Personen, die aus der Reihe getreten sind, die mehr Anordnungen und Befehle gegeben als sie empfangen haben und infolgedessen weniger Leid zu ertragen hatten, als sie um sich herum verbreiteten. Wenn wir jedoch nur über die Armenier aus dem
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sprechen, dann ist Dinar Marcarian mindestens in zweierlei Hinsicht besonders. Zum einen, weil er, Securitate-Offizier geworden, seinen Namen in Ion Moraru geändert hat – was die Armenier sonst nicht taten –, und zweitens, weil er es geschafft hat, über die Grenze seines Jahrhunderts hinaus und bis ins neue Jahrtausend hinein zu leben, zur Hälfte erblindet und zurückgezogen in einem Haus am Rande von Bukarest im Dorf Pantelimon, aber er hatte doch auch die Kraft, vor seinem Tode zurückzukehren zu seinem armenischen Namen, der ihm auf den Grabstein gemeißelt wurde.
    Jetzt aber befinden wir uns erst im April 1943. Mesia Khacerian und Dinar Marcarian sind soeben von der Siguranță 10 verhaftet worden. Hinter der armenischen Schule, in der Dinar als Sekretär tätig war, befand sich ein deutsches Waffenlager. Dinar hatte die Grundrisse der Depots ausgekundschaftet, und damit alles in die Luft flöge, bestimmte er den geeignetsten Platz für die Bombe. Mesia war nach Bukarest gefahren, den Sprengstoff zu beschaffen. Alles, was ich auf den Spuren von Mesia, der noch seine schwarzen Haare trug, gesunde Beine und einen schnellen Gang hatte, herauskriegen konnte, war, dass er jemanden traf, den er Dușa nannte, und der ihm eine Tasche überreichte, in der sich alles befand, was man zum Bau einer Bombe benötigte. Später dann erfuhren sie, dass alles, was sie betraf, von jenem Dușa herrührte, der in Bukarest verhaftet worden war. Dinar gestand und wurde zu Gefängnishaft verurteilt. In Mesia aber war der Hass stärker als der Schmerz. Er widerstand der Folter, ohne etwas zu gestehen. Infolge der Folter ist sein Haar vollkommen weiß geworden, und er blieb für den Rest seines Lebens gehbehindert. Damals gab es nur noch sehr wenig, das für ihn zählte, denn der verbleibende Rest seines Lebens hatte sich als kurz angekündigt. Mesia Khacerian wurde der Sabotage für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Und mit ihm Ardaș Torosian, Hacig Kazangian und Garabet Daglarian, der Gleiche, dem wir ein paar Jahre später an Deck des Schiffes »Rassia« unter den Repatriierten begegnen sollten. Doch kurz vor der Urteilsvollstreckung hatte die rumänische Armee am 23. August 1944 die Waffen gewendet, und die Rote Armee erwies sich, wenigstens für Mesia Khacerian, als befreiend. Mesia spazierte in dieser neuen und leicht wiedererkennbaren Gestalt in die Welt hinaus, aber nun war er durch nichts mehr zu erweichen, weshalb ihm auch niemand mehr aus dem Wege

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