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Buch des Flüsterns

Buch des Flüsterns

Titel: Buch des Flüsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Varujan Vosganian
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oder, weiter entfernt als alle anderen: »Zum Planeten Jupiter« des Mihran Dobagian. Und dann hatte es noch angeberische Geschäftsnamen mit betörenden Aromen und schmierigem Lächeln gegeben: »Ideal« hieß das Versprechen des Hapet Kasparian, »Schweizerische Uhrmacherei« das Geschäft des Sarchis Boghosian und »Koafeur Elita« der Friseurladen des Suren Abramian. »Zum schicken Kavalier« hieß Armenac Silvans Geschäft und »Zum goldenen Hufeisen« das von Victoraș Cardașian, »Zur modernen Lampe« das von Haigazun Pilibosian, und »Bon Marché« versprach Esai Eramian oder, etwas rumänischer, »Zur Billigkeit« Arșag Mardiros, dann gab es noch »Zur amerikanischen Uhrmacherei« und sogar »Amerikanische Wäscherei«, »Zum Konkurrenz-Basar«, die »Internationale Frisierstube«, eine »Spezial-Uhrmacherei«, eine »Spezial-Krone«, die »Königliche Krone«, »Zum C.F.R.-Chronometer« 11 , »Spezial-Brot«, »Zum dichten Schatten«, »Zum modernen Schick« und »Miss Rumänien« von Madame Araxi, die Bäckerei »Durchbruch«, »Zur Million« und »Original«, Firmen über Firmen auf dem Boulevard Ștefan cel Mare 12 , auf dem Boulevard Carol, auf dem Ovid-Platz; auf den geraden und sonnenverbrannten, von salzhaltigen Winden ausgeblichenen Straßen und Gassen der Stadt wirkten sie wie lärmende bunte Vögel. Und wie in der Geschichte von Noahs Arche steht auch hier am Ende der Regenbogen als Zeichen dafür, dass sich die Wasser zurückgezogen haben, aber auch dass sich die dunklen und trockenen Wolken wieder zusammenziehen. Zuletzt, 1948 wegrasiert, schloss der Schuh- und Farbenladen namens »Regenbogen«, den die Brüder Agop und Garabet Kumbetlian führten. Agop hat man dann wegen seiner Unbotmäßigkeit, den Laden am Leben gehalten und Morgen für Morgen den Rollladen hochgestemmt zu haben, in Poarta Albă ins Arbeitslager gesperrt.
    Diese alle zählten zu jenen, die ein kleineres Geschäft, eine Manufaktur oder eine Werkstatt mit ein paar Lehrjungen besaßen. Im Hof dahinter befand sich zumeist das Wohnhaus. Das Geld wurde stets wieder in neue Waren gesteckt, und der Entschluss, den Laden zu schließen, konnte nicht von heute auf morgen gefasst werden, sondern erst nach einer spürbaren Verringerung des Warenbestands.
    Aber es gab auch Kaufleute, denen es gelungen war, etwas Geld beiseitezulegen und es dann in Gold oder Edelsteinen anzulegen. Diese gingen zuerst. Von den anderen wagten es manche erst nach fünfzehn Jahren aufgrund einer Aktion der gesamten armenischen Diaspora, in den Libanon oder nach Amerika zu gehen. Im Jahre 1945 aber waren die Zeitläufte düster, ebenso wie die Hauswände und die Menschen. Man wusste nicht, wem man vertrauen konnte. Wer weggehen wollte, sagte es niemandem. Ja, sie trafen sogar sinnlose und beruhigende Verabredungen, morgen sehen wir uns zum Kaffee oder zum Șerbet 13 , sie verliehen Geld oder bestellten Waren, die sie im Voraus bezahlten, damit niemand Verdacht schöpfte. Dann steckten sie ihre Edelsteine in kleine Säckchen, diese zuunterst in den Koffer, und brachen im Morgengrauen auf nach Constanța. Von Galați, Brăila, Sulina und aus Bukarest. Dort versuchten sie, tagsüber im Gewusel der Stadt unterzutauchen, und gingen nachts zum Hafen hinunter, wo ein Vertrauensmann von Onik Tokatlian sie erwartete, um sie im feuchten und dunklen Bauch des Schiffes zwischen den Warenballen zu verstecken. In Marseille dann segneten sie alle Onik Tokatlian, versuchten vergeblich, ihn zu überzeugen, als Dank ein paar Edelsteine anzunehmen, und gingen hinunter in die Stadt, um sich eine Unterkunft in der recht großen Kolonie der Hafen-Armenier zu suchen, oder aber sie wechselten von dem einen auf ein anderes Schiff, das zu ferneren und dadurch noch mehr Sicherheit versprechenden Orten auslief. So gelangten die wohlhabenden armenischen Kaufmannsfamilien Israelian, Varteresian, Diarbekirian und Seferian zwischen Reissäcken, Stoffballen, Olivenfässern und Containern mit Getreide nach Buenos Aires; deshalb ist Seferians Gruft leer geblieben, beleuchtet allein von der Öllampe, die über dem Foto des ferne Meere durchfahrenden Kapitäns Onik Tokatlian brannte.
    Noch ist Anfang Januar des Jahres 1946. Wie jedes Mal hat Onik Tokatlian das Entladen der Waren von seinem Schiff überwacht, etwas Geld an seine Mannschaft verteilt, und als alles in bester Ordnung war, den Hafen auf jener gepflasterten Allee verlassen, die von der Kommandantur zum Ovid-Platz führt. Zu jener Zeit

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