Buch des Todes
herabhing.War das die morbide Form eines Striptease? Die Muskeln an dem entblößten Rücken waren nummeriert, als wollte man damit unterstreichen, dass das alles nur im Dienste der Wissenschaft geschah. Es kam ihm direkt unpassend vor, dass Kittelsen bei der Untersuchung dieses Falls ausgerechnet das Bild einer gehäuteten Frau an der Bürowand hängen hatte. Zugleich war ihm klar, dass dieses Plakat Kittelsen vermutlich schon so lange begleitete, dass er es nicht einmal mehr bemerkte.
»Die wichtigsten Punkte«, sagte Kittelsen und schmatzte so lange, wie seine effektive Natur dies zuließ. »Von den Spermaspuren wissen Sie ja bereits. Meine Funde zeigen, dass dieses Sperma schon eine ganze Weile vor dem Mord in dem Opfer war.«
»Was heißt eine ganze Weile?«
»Ausgehend davon, wo in der Scheide das Sperma sich befunden hat, wie viel davon von der Scheidenwand absorbiert war, und so weiter, würde ich sagen, eine Stunde oder zwei.Vielleicht auch mehr.«
»Das bedeutet, dass die Person, die Sex mit der Frau gehabt hat, nicht notwendigerweise ihr Mörder ist?«, fragte er, ohne zu verstehen, warum er das so positiv fand.
»Diese Art von Schlussfolgerungen überlasse ich Ihnen«, sagte Kittelsen trocken. »Ich präsentiere nur die Funde, die wir gemacht haben. Des Weiteren kann ich sagen, dass derjenige, der Gunn Brita Dahle ermordet, geköpft und gehäutet hat, dies vielleicht schon einmal getan hat.Als Experten würde ich den Täter aber dennoch nicht bezeichnen. Die Schnitte sind zu grob und kantig für einen Chirurgen. Die Haut und der größte Teil des Kopfes sind nach dem Tod des Opfers entfernt worden.«
»Der größte Teil des Kopfes?«
»Ja. Todesursache ist vermutlich das Durchtrennen der Kehle.Während das Opfer an diesem ersten Schnitt starb, hat der Täter versucht, den Kopf mit weiteren Schnitten vom Rumpf zu lösen. Er hat dafür ohne Zweifel verschiedene Werkzeuge benutzt. Für die Wirbelsäule scheint er ein kleines Beil genommen zu haben oder vielleicht auch ein großes, schweres Messer.Aber der Betreffende hat es auch mit anderen Sachen probiert. Sie fragten nach den wichtigsten Punkten. Nun, das hier ist wahrscheinlich der wichtigste Punkt«, sagte Kittelsen und nahm ein dunkles Stück Metall aus einer Aluminiumschale, die auf dem Schreibtisch stand.
»Und was ist das?«, fragte Singsaker und spürte, dass sein Puls eine Frequenz erreichte, die jener von Kittelsen vermutlich noch nie gehabt hatte.
»Das ist ein Stück Metall.«
»Ein bisschen mehr können Sie mir schon sagen, oder?«
»Ich habe das zwischen zwei Halswirbeln gefunden, die noch am Torso der Leiche waren.Wenn ich einen Tipp abgeben sollte, würde ich sagen, dass eines der benutzten Werkzeuge bei dem Versuch, die Halswirbelsäule zu durchtrennen, abgebrochen und ein Stück in ihr stecken geblieben ist. Der Mörder hat sich dann für ein anderes Werkzeug entschieden und den Job etwas höher am Hals vollendet.«
»Dann ist das die Spitze eines der Messer, die der Mörder verwendet hat?«
»Meiner Meinung nach, ja.«
»Können Sie noch etwas mehr darüber sagen?«
»Nein«, sagte Kittelsen. »Das muss von Menschen analysiert werden, die sich mit so etwas auskennen.« Der Arzt nahm einen durchsichtigen Plastikbeutel, legte das Metallstückchen hinein, versiegelte die Tüte und reichte sie ihm.Als er aufstand, sagte er: »Wenn ich einen Vorschlag äußern dürfte, würde ich das von einem Archäologen untersuchen lassen.«
»Warum das?«, fragte Singsaker.
»Weil das kein rostfreier Stahl ist«, sagte der Rechtsmediziner trocken.
»Der Qualität des Stahls nach zu urteilen und von dem wenigen ausgehend, was ich aus der Form schließen kann, würde ich sagen, dass dieses Stück Metall mindestens aus dem 18. Jahrhundert stammt. Die Klinge scheint kontinuierlich geschmiert und gepflegt worden zu sein, denn der Stahl ist in einem überraschend guten Zustand.Wenn das Messer besonders sorgsam behandelt wurde, kann es auch noch älter sein, älter als fünfhundert Jahre aber wohl nicht.« Jens Dahle nahm den Blick vom Mikroskop und stand in seiner ganzen Größe vor Kommissar Singsaker.
Gunn Brita Dahles Ehemann hatte eingewilligt, ihn in seinem Büro im Wissenschaftsmuseum zu treffen. Singsaker hatte ihm am Telefon gesagt, worum es ging, aber gleich hinzugefügt, dass er die Expertise auch von jemand anderem ausführen lassen könnte.Dennoch gäbe es auch noch ein paar andere Dinge, die er Dahle gerne möglichst bald fragen
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