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Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Brekke
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Menschen verrieten als irgendwelche intimen Details.
    Heute sei das Auto besonders schmutzig, sagte Jens Dahle. Singsaker hatte nur angehalten, um nicht unhöflich zu wirken, doch eigentlich fehlte ihm die Zeit für ein Gespräch. Dahle war am Wochenende mit den Kindern in seiner Hütte gewesen, und als er am Morgen wiedergekommen war, war seine Frau bereits zur Arbeit gegangen. Singsaker glaubte sich von einem früheren Gespräch daran zu erinnern, dass Dahles Frau Gunn Brita hieß und in der Gunnerusbibliothek arbeitete.
    »Der kleine Feldweg, der von der Hauptstraße zu unserer Hütte führt, ist im Herbst immer die reinste Schlammpiste. Das wird erst wieder besser, wenn der Frost kommt und es zu schneien beginnt«, sagte Dahle lächelnd.
    Dahle war über zwei Meter groß und immer sehr gut angezogen. Sogar beim Autowaschen trug er Hemd und Schlips. Singsaker wusste, dass der Mann Archäologe war, und es wunderte ihn, dass jemand von seiner Größe und seinerVorliebe für feine Kleider einen solchen Beruf gewählt hatte. Er konnte ihn sich beim besten Willen nicht auf Knien hockend an irgendeiner Steinzeitfeuerstelle vorstellen, in der er Kohlereste freipinselte.Aber dieser Tätigkeit schien er inzwischen auch nicht mehr nachzugehen. Jens Dahle arbeitete am Wissenschaftsmuseum und verbrachte seine Zeit aller Voraussicht nach hinter einem Schreibtisch. Ein Job, bei dem man sich anscheinend auch schon einmal an einem Montagmorgen freinehmen konnte, um das Auto zu waschen.Als Singsaker sich verabschiedete und sagte, er müsse weiter, ohne seinem Nachbarn zu verraten, wohin, wurde ihm bewusst, dass er viel mehr über Jens Dahle wusste als umgekehrt. Singsaker konnte sich nicht vorstellen, dass er ihm jemals von seiner Arbeit bei der Polizei erzählt hatte.
    Mit schnelleren und ausladenderen Schritten als in den letzten Monaten ging er die Bakkegate hinunter in Richtung Zentrum. Er trug einen Anorak, einen dünnen, schwarzen Pullover und eine Jeans. Nach dem verregneten Wochenende war dieser Tag richtig schön. Er überquerte die Brücke, bog nach rechts in die Kjøpmannsgata ein, folgte dem Bürgersteig auf der Seite der Olavshalle und dann dem Brattørkanal bis zum Präsidium. Es sah noch genauso aus wie an dem kalten Dezembertag, als er es zum letzten Mal verlassen hatte. Das Gebäude war in dem gleichen quasimaritimen Stil gestaltet wie die meisten Häuser in Beddingen, eine Art Konglomerat aus Bohrinsel, Schiffswerft und Fährschiff. Inmitten des Ganzen stand ein grauer Zementturm, das Flaggschiff der Trondheimer Polizeibehörde, an dem in riesigen Lettern das Wort Polizei stand. Er hatte sich in dem Gebäude, das nun seit sechs Jahren hier stand, nie richtig wohlgefühlt.Aber auch in dem alten Präsidium war er nicht zu Hause gewesen, sodass es eigentlich keine Rolle spielte.Außer Atem erreichte er den Personaleingang. Die Narbe dicht über seinem Haaransatz kribbelte.
    Tags zuvor hatte er mit Gro Brattberg telefoniert. Die Leiterin des Dezernats für Gewalt- und Sittlichkeitsverbrechen war seine Chefin. Brattberg hatte gesagt, sein altes Büro warte auf ihn.Auf dem Weg nach oben fiel ihm auf, wie still es an diesem Tag war. Er fragte sich, ob es immer so still gewesen war, und erschrak, als ihm bewusst wurde, an wie wenig er sich eigentlich erinnerte.Aber vielleicht war das ja gar nicht so erstaunlich. In den langen Monaten vor der Diagnose und seiner Krankmeldung war er ziemlich neben der Spur gewesen. Schwindelattacken, Gesichtsfeldausfälle, Farbhalluzinationen und ein beständig ziehender Schmerz hinter den Augen, der nicht einmal durch eine ganze Flasche Rød Aalborg zu betäuben gewesen war, hatten ihn häufig in die Knie gezwungen.
    Als er den Bürotrakt betrat, schwante ihm nichts Gutes, denn auch dort herrschte Totenstille. Alle Büros, an denen er auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz vorbeikam, waren leer, der ganze Flügel war verwaist. Als er die Tür zu seinem Zimmer öffnete, blieb er ungläubig stehen. Dann rang er sich ein Lächeln ab. Wie konnte ihm nur an einem Tag wie diesem der Aquavit ausgehen?, fragte er sich. Er hatte ein Willkommenskomitee befürchtet – und bekam einen ganzen Kongress.
    Das gesamte Dezernat hatte sich in seinem Büro zusammengedrängelt, selbst die, die gar keinen Dienst hatten, waren gekommen, um ihn zu begrüßen.Während er noch in der Tür stand, strömten auf dem Flur Beamte anderer Dezernate, Kriminaltechniker und Mitarbeiter der Schutzpolizei zusammen. Die

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