Buchanan - 06 - Schattentanz
der Tür des Bistros stand »Offen«, und Jordan setzte sofort neue Prioritäten. Ein Raum mit Klimaanlage kam ihr im Moment vor wie der Himmel auf Erden, und sie hätte auch gerne etwas Kaltes getrunken. Einen Automechaniker und ein Hotel konnte sie später suchen.
Sie parkte den Wagen, ergriff ihre Handtasche und die Umhängetasche mit dem Notebook und ging hinein. Bei der kühlen Luft wurden ihr die Knie weich. Wie wundervoll!
Die Frau, die an einem der Tische saß und Besteck in Servietten einrollte, blickte auf, als sie eintrat.
»Mittagessen gibt es keines mehr, und Abendessen wird noch nicht serviert. Ich kann Ihnen ein schönes großes Glas Eistee bringen, wenn Sie möchten.«
»Ja, danke. Das wäre sehr nett«, erwiderte Jordan.
Sie ging sofort zur Damentoilette, wusch sich Hände und Gesicht und fuhr sich einmal mit dem Kamm durch die Haare. Danach fühlte sie sich endlich wieder wie ein Mensch.
Im Gastraum standen zehn oder zwölf Tische mit karierten Tischtüchern und passenden Polstern auf den Stühlen. Sie wählte einen Tisch in der Ecke, wo sie aus dem Fenster sehen konnte, ihr die Sonne aber nicht ins Gesicht schien.
Kurz darauf erschien die Kellnerin mit einem großen Glas Eistee, und Jordan fragte sie, ob sie sich das Telefonbuch ausleihen könne.
»Was suchen Sie denn, meine Liebe?«, fragte die Kellnerin. »Vielleicht kann ich Ihnen ja helfen.«
»Ich brauche einen Automechaniker«, erklärte Jordan. »Und ein sauberes Motel.«
»Das ist einfach. Es gibt nur zwei Autowerkstätten im Ort, und eine ist bis nächste Woche geschlossen. Die andere ist Lloyd’s Garage, ein paar Blocks von hier entfernt. Lloyd ist ein bisschen schwierig, aber er kann etwas. Ich gebe Ihnen das Telefonbuch, dann können Sie seine Nummer nachsehen.«
Während sie wartete, nahm Jordan ihr Notebook aus seinem Koffer und stellte es auf den Tisch. Sie hatte sich am Abend zuvor ein paar Notizen und eine Liste von Fragen gemacht, die sie dem Professor stellen wollte. Nun konnte sie sich das alles noch einmal ansehen.
Die Kellnerin brachte ihr ein dünnes Telefonbuch, das bereits auf der Seite mit Lloyd’s Garage aufgeschlagen war.
»Ich habe meine Freundin Amelia Ann angerufen«, sagte sie. »Sie leitet das Motel Zuhause in der Fremde, und sie macht Ihnen gerade ein Zimmer fertig.«
»Das war sehr freundlich von Ihnen«, sagte Jordan.
»Es ist ganz reizend dort. Amelia Anns Ehemann ist vor einigen Jahren gestorben und hat ihr nichts hinterlassen, nicht einen einzigen Cent. Sie musste mit ihrer Tochter in das Motel ziehen, um Geld zu verdienen. Sie haben es sehr heimelig eingerichtet. Ich denke, es wird Ihnen gefallen.«
Jordan rief in der Werkstatt an, und dort wurde ihr barsch mitgeteilt, dass man sich ihr Auto heute nicht mehr ansehen könne. Sie sollte es gleich morgen früh vorbeibringen. »Das habe ich mir fast gedacht«, sagte Jordan seufzend und klappte ihr Handy zu.
»Sind Sie auf der Durchreise oder haben Sie sich verfahren?«, fragte die Frau. »Wenn Ihnen meine neugierigen Fragen nichts ausmachen«, fügte sie hastig hinzu.
»Nein, es macht mir nichts aus. Ich bin mit jemandem verabredet.«
»Oh, meine Liebe. Es ist doch kein Mann, oder? Sie sind doch keinem Mann hierher gefolgt? Oh, bitte nicht. Das habe ich nämlich getan. Ich bin von San Antonio gekommen. Und dann hat es nicht funktioniert, und er ist weitergezogen.« Sie schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. »Und jetzt stecke ich fest, bis ich genug Geld zusammen habe, um wieder nach Hause fahren zu können. Ich heiße übrigens Angela.«
Jordan stellte sich ebenfalls vor und schüttelte der Frau die Hand. »Nett, Sie kennenzulernen. Nein, ich bin keinem Mann gefolgt. Ich bin zwar mit einem Mann zum Abendessen verabredet, aber das ist geschäftlich. Er hat Unterlagen und Informationen für mich.«
»Also nichts Romantisches.«
Jordan dachte an den Professor, und ihr lief es kalt über den Rücken. »Nein.«
»Woher kommen Sie?«
»Aus Boston.«
»Wirklich? Sie haben gar keinen Akzent.« Angela lächelte sie an. Sie hatte ein nettes Lächeln und eine liebe Art. Als junge Frau hatte sie bestimmt viel in der Sonne gelegen. Die vielen Falten ließen ihr Gesicht ein wenig wie gegerbtes Leder wirken.
»Wie lange leben Sie schon in Serenity?«
»Fast achtzehn Jahre.«
Jordan blinzelte. Die Frau sparte schon seit achtzehn Jahren und hatte immer noch nicht genügend Geld, um nach Hause zu fahren?
»Wo wollen Sie sich denn zu Ihrem
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