Buchanan - 06 - Schattentanz
Hauptstraße von Serenity entlangschlenderte und die Leute ihm eiligst Platz machten. Ihr Gesichtsausdruck verriet alles. Sie hatten Angst vor ihm, und Angst bedeutete nach J. D.s Auffassung Macht.
J.D.s voller Name lautete Julius Delbert Dickey Jr. Allerdings bedeutete ihm der Name nicht besonders viel. Er fand ihn viel zu weibisch für das harte Image, das er sich erarbeitet hatte. So begann er noch in der Highschool, die Bewohner seines Heimatortes darauf zu trainieren, ihn mit seinen Initialen anzureden. Die wenigen, die sich widersetzten, überzeugte er, indem er sie zusammenschlug.
Es gab zwei Dickey-Brüder in Serenity. J. D. war der Erstgeborene. Zwei Jahre später kam Randall Cleatus Dickey zur Welt.
Die Dickey-Jungs hatten ihren Vater seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen. Der Senior genoss fünfundzwanzig Jahre lang Kost und Logis in einem Bundesgefängnis von Kansas. Wegen eines bewaffneten Raubüberfalls, der irgendwie aus dem Ruder gelaufen war. Rückblickend, so erklärte er dem Richter, sei es wahrscheinlich ein Fehler gewesen, den neugierigen Wachmann zu erschießen. Schließlich hatte der Mann nur seinen Job getan.
Die Mutter der Jungen, Sela, blieb in Serenity, bis J.D. und Randy die Highschool hinter sich hatten. Dann beschloss sie, ihr Mutterdasein zu beenden. Sie hatte immer versucht, ihre beiden Söhne von Schwierigkeiten fernzuhalten, war aber kläglich gescheitert, und so packte sie schließlich ihre Sachen und schlich sich mitten in der Nacht aus der Stadt. Den Jungs war klar, dass sie nicht so bald wieder zurückkommen würde, denn sie hatte alle Dosen ihres superstarken Haarsprays mitgenommen. Die Pflegeprodukte für ihre Haare waren der einzige Luxus, den sich die Mutter gönnte, und sie besaß immer mindestens fünf bis sechs Dosen.
Allerdings vermissten sie ihr ständiges Nörgeln und Schimpfen auch nicht, und da J.D. immer schon sein eigenes Ding gemacht hatte, änderte ihr Verschwinden nicht besonders viel. Sie waren immer bettelarm gewesen, und das waren sie auch jetzt, aber J. D. schien entschlossen, diesem Zustand ein Ende zu setzen. Er hatte große Pläne, brauchte dazu jedoch Geld. Viel Geld. Er wollte seine eigene Ranch haben, und er hatte bereits ein Auge auf ein hübsches Stück Land etwa fünfzig Kilometer westlich von Serenity geworfen. Nach texanischen Maßstäben war das Grundstück mit zweihundert Hektar nicht besonders groß, aber J. D. dachte, dass er sich das ganze umliegende Gelände würde einverleiben können, wenn er sich erst einmal als Rancher etabliert hatte. Die Ranch, auf die er es abgesehen hatte, besaß hervorragendes Weideland mit zahlreichen Wasserlöchern für das Vieh, das er sich kaufen würde, sobald er ein bisschen Geld zusammen hatte. Es gab auch einen hübschen Angelteich dort, und sein Bruder Randy angelte für sein Leben gern.
Ja, Sir, er würde ein Cowboy werden. Und er befand sich auf dem besten Wege dazu. Stiefel und Hut besaß er schon, und auf der Highschool hatte er zwei Sommer hintereinander auf einer Ranch gearbeitet. Der Lohn war jämmerlich gewesen, aber die Erfahrungen, die er gesammelt hatte, erwiesen sich als unbezahlbar.
J.D.s Traum musste dann jedoch für fünf Jahre bei guter Führung auf Eis gelegt werden. Bei einer Prügelei in einer Bar hatte er einen Mann umgebracht und fünf Jahre für Totschlag bekommen. Es gab mildernde Umstände, weil laut Zeugenaussagen der Fremde den Streit angefangen, ein Messer gezogen und ihm einige Verletzungen zugefügt hatte, bevor J. D. ihn k.o. geschlagen hatte. Er hatte den Mann nicht umbringen wollen, aber unglücklicherweise war der Typ beim Fallen mit dem Kopf aufgeschlagen.
Seinem Bruder gegenüber brüstete sich J.D., dass seine Haftstrafe bestimmt länger ausgefallen wäre, wenn er nicht jeden einzelnen der Geschworenen mit einem bösen Blick bedacht hätte.
Auf Randy hatte dieser Zwischenfall jedoch eine andere Wirkung. Die Gefängnisstrafe seines Bruders öffnete ihm die Augen, und er begriff zum ersten Mal, dass die wirkliche Macht aufseiten des Gesetzes lag. Während J. D. seine Strafe absaß, verwandelte Randy sich in einen gesetzestreuen Bürger, und innerhalb weniger Jahre gelang es ihm, die Leute auf seine Seite zu ziehen, sodass sie ihn zum Sheriff von Jessup County wählten.
J. D. freute sich sehr für seinen Bruder. Randys neuer Titel und sein neuer Status in der Gemeinde boten einen Grund zum Feiern. Schließlich war es äußerst praktisch, einen Sheriff zum
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