Buchanan - 06 - Schattentanz
Grad im Schatten, und natürlich hatte die Klimaanlage des Wagens schon vor über einer Stunde den Geist aufgegeben. Ebenso die protzige Stereoanlage, mit der die Mietwagenfirma sie ködern wollte, weil sie ihre Reservierung verschlampt und ihr wissentlich diese Gurke angedreht hatten.
Schweiß tröpfelte zwischen ihren Brüsten entlang; die Sohlen ihrer Sandalen verschmolzen mit dem Asphalt, und die Sonnenschutzcreme auf Gesicht und Armen hatte inzwischen jede Wirkung verloren. Jordan hatte mahagonibraune Haare, aber den Teint einer Rothaarigen. Schon bei wenig Sonne bekam sie Sommersprossen und Sonnenbrand. Doch ihre Wahlmöglichkeiten waren beschränkt. Sie konnte entweder im Auto sitzen bleiben und langsam verdorren, während der Motor sich abkühlte, oder aber sie wartete draußen und wurde gegrillt.
Okay. Vielleicht dramatisierte sie das Ganze zu sehr. Aber das lag bestimmt an der Hitze, dachte sie.
Zum Glück hatte sie ihr Handy dabei. Ohne das ging sie nie aus dem Haus. Leider nur hatte sie mitten in der Wüste keinen Empfang.
Serenity lag noch etwa hundert Kilometer entfernt. Viel hatte sie über den Ort nicht herausfinden können, sie wusste nur, dass er winzig war. Der Professor hatte Serenity eine charmante Oase genannt. Aber auf der Hochzeit trug er trotz der Sommerhitze ein Wolljackett. Was wusste der schon von Charme?
Bevor sie Boston verließ, hatte sie den Professor überprüft. Er war zwar merkwürdig und exzentrisch, aber offensichtlich echt. Eine Assistentin am Franklin College, eine Frau namens Lorraine, hatte von seinen Lehrfähigkeiten geschwärmt. Sie erklärte ihr, der Professor könne Geschichte lebendig machen. Seine Kurse wären immer als erste belegt.
Jordan konnte das kaum glauben. »Wirklich?«
»Oh ja. Den Studenten macht sein Akzent nichts aus, und sie müssen wirklich an seinen Lippen hängen, denn sie versäumen nie eine seiner Unterrichtsstunden.«
Ah, das verstand Jordan. Man kam leicht zu einem Schein bei ihm.
Die Frau erwähnte auch, dass er in Frühpension gegangen sei, aber sie hoffte, er würde es sich noch einmal überlegen.
»Gute Lehrer sind so schwer zu finden«, hatte sie gesagt. »Und bei den Gehältern, die gezahlt werden, können es sich die meisten nicht leisten, so früh aufzuhören. Professor MacKenna ist gerade mal vierzig.«
Lorraine hatte anscheinend keine Probleme damit, persönliche Informationen über ein ehemaliges Fakultätsmitglied weiterzugeben, und sie hatte Jordan sogar gefragt, warum sie so an ihm interessiert sei. Natürlich hatte Jordan gelogen und der Frau erzählt, sie wäre eine entfernte Verwandte. Lorraine hatte das sofort geglaubt.
Zweifellos redete sie gerne. »Ich wette, Sie haben ihn für wesentlich älter gehalten, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt.«
»Ich auch«, gestand Lorraine. »Wenn Sie wollen, kann ich für Sie sein Geburtsdatum nachsehen.«
Du liebe Güte, sie war wirklich zuvorkommend. »Das wird nicht nötig sein«, antwortete Jordan. »Haben Sie gesagt, er ist bereits im Ruhestand? Ich dachte, er hätte eine Auszeit genommen?«
»Nein, er ist in Rente«, erwiderte die Frau. »Wir hätten ihn nur allzu gerne zurück, aber ich bezweifle, dass er noch einmal unterrichten wird. Er hat wirklich eine stattliche Summe geerbt«, fuhr sie fort. »Er sagte mir, er habe überhaupt nicht damit gerechnet, und das Geld sei eine Überraschung gewesen. Daraufhin hat er dann sofort beschlossen, sich ein Stück Land weit weg vom Lärm und vom Getriebe der Stadt zu kaufen. Er hat die Geschichte seiner Familie erforscht, und er wollte an einem Ort leben, an dem er in Ruhe und Frieden arbeiten konnte.«
Jordan blickte sich um. Ruhe und Frieden hatte der Professor sicher gefunden. Keine Menschenseele war zu sehen, und sie hatte das Gefühl, dass es in Serenity genauso einsam sein würde wie in der sie gerade umgebenden Landschaft.
Eine halbe Stunde verging, der Motor kühlte ab, und sie fuhr weiter. Da die Klimaanlage nicht funktionierte, ließ sie das Fenster offen. Glühend heißer Fahrtwind strich ihr übers Gesicht. Die Landschaft war flach, aber als sie um eine Kurve bog und die Straße auf einmal zu beiden Seiten von Zäunen begrenzt wurde, kam sie ihr nicht mehr so einsam vor. Ein rostiger Stacheldrahtzaun, der aussah, als sei er vor hundert Jahren errichtet worden, umschloss leere Weideflächen. Da sie keine Kornfelder sah, nahm sie an, dass es sich um Weiden für Kühe und Pferde handelte.
Kilometer um Kilometer zog vorüber,
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