Bucheckern
Fabrikgelände aussieht?“, fragte Paul Wellmann dazwischen.
„Nee, weil ich doch mit ihm geschimpft habe, hat er mir gar nichts mehr dazu gesagt, aber erwischt worden sind die Kinder bestimmt nicht, das hätte ich sicher mitbekommen.“
„Können Sie uns noch die Namen der anderen Kinder nennen, die mit Ihrem Enkel damals durch den Zaun gekrochen sind?“, fragte ihn Oskar Lindt.
„Klar, das sind die drei von den Bergers. Der Fabian und die Klara sind Zwillinge und auch so um die zwölf Jahre und der Julian ist erst neun. Der Garten gehört eigentlich ihrer Tante Olga, aber nachmittags sind die drei ganz oft dort und auch die Eltern kommen häufig her – ich glaube, sie wohnen irgendwo in den Wohnblocks in der Aue. Ich kenne alle recht gut, manchmal haben wir auch schon zusammen gegrillt.“
„Vielen Dank, Herr Berghoff, dass Sie zu uns gekommen sind“, beendete Lindt das Gespräch, „für den Moment haben wir keine weiteren Fragen. Wenn es noch Unklarheiten gibt, melden wir uns.“
„Ein klarer Fall für dich, Paul“, wandte sich Lindt an Wellmann, der während des Gespräches mit Albert Berghoff Notizen gemacht hatte. „Schau mal am Nachmittag in der Gartenanlage vorbei, ob du die Kinder triffst. Sie sollen dir alles über Patrick erzählen und fühl ihnen auch auf den Zahn, was ihr Eindringen ins Fabrikgelände angeht.“
Die Auswertung
„Ah, da kommt ja auch der Laborbericht.“ Lindt begrüßte Ludwig Willms, den Leiter der Kriminaltechnik, der die Ergebnisse persönlich vorbeibrachte. „Der Chef selbst, was verschafft uns die Ehre?“
„Ja, Oskar“, meinte der, denn mit Oskar Lindt verband ihn nach mehr als zwanzig Jahren der Zusammenarbeit weit mehr als nur Dienstliches, „da hast du uns wieder was Schönes eingebrockt.“
Ludwig Willms konnte man den Marathonläufer schon auf den ersten Blick ansehen. Über einsneunzig groß und so schlank, dass Lindt ihn immer als viel zu mager bezeichnete, machte er durch seine hervorstehenden Wangenknochen und die eingefallenen Backen einen direkt asketischen Eindruck. Was aber jedem Betrachter schon auf den ersten Blick ins Auge stechen musste, das war die Länge seiner Beine – sie wirkten im Vergleich zum Rest des durchtrainierten Körpers fast überproportional lang und schienen dadurch fürs Laufen wie geschaffen zu sein. Die millimeterkurz geschorenen Haare verstärkten noch den Eindruck eines ›Megasportlers‹, wie sich Paul Wellmann einmal ausgedrückt hatte.
„Der eine brockt’s ein, der andere löffelt’s aus, so war es bei uns doch schon immer“, spielte Lindt den Ball zurück. „Na, was habt ihr rausgefunden – oder mussten deine Mitarbeiter wieder die ganze Arbeit machen, während ihr Chef für den nächsten Iron-Man oder Ultra-Marathon trainiert?“
„Nein“, antwortete Willms mit leicht ironischem Unterton, denn kleine Sticheleien wegen seiner Sportleidenschaft musste er sich öfter anhören, „das meiste habe ich diesmal tatsächlich selbst gemacht, weil zwei meiner Mitarbeiter in Urlaub sind, aber dir, Oskar“ – und dabei klopfte er mit seinem Handrücken leicht auf den durchaus erkennbaren Bauchansatz von Lindt – „würde etwas mehr Bewegung auch nicht schaden. Man sollte deinen bequemen französischen Dienstwagen gegen ein Mountain – Bike eintauschen und dich in den Hochschwarzwald versetzen.“
Das hatte natürlich gesessen, denn Willms und Lindt waren in früheren Zeiten oft zusammen übers Wochenende zum Bergwandern in den Alpen gewesen. Nachdem Willms aber die Langstreckenläufe für sich entdeckt hatte und auch auf schmalen Bergpfaden die Geschwindigkeit so steigerte, dass für Oskar Lindt die Grenze zwischen Vergnügen und Qual deutlich überschritten wurde, verringerte sich die Zahl ihrer gemeinsamen Unternehmungen erheblich.
„Grüß mir deine Orthopäden schön“, spielte Lindt auf einige sportbedingte Klinikaufenthalte von Ludwig Willms an, „du weißt ja: Treib Sport oder bleib gesund – du hast die Wahl! Mir geht’s gut, auch wenn ich nicht wie ein gehetztes Reh durch die Gegend renne. Aber jetzt genug geflachst – zurück zur Arbeit. Was habt ihr herausgefunden?“
„Also, die schlechte Nachricht zuerst“, begann Willms. „Diesen Beutel mit Erde, aus der Reißverschlusstasche im Rucksack, den mussten wir ins chemische Landesuntersuchungsamt geben. Wir haben ein paar Untersuchungen gemacht und auch eine Grobanalyse durchgeführt, aber in dem Substrat scheinen so viele verschiedene
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