Bucheckern
Berghoff, „waren wir auch im Naturkundemuseum oder im Zoo.“ Er berichtete von der Neugierde des Jungen für alles, was sich in der Natur abspielte. Biologie war schulisch schon immer seine Stärke gewesen und an den in der siebten Klasse neu hinzugekommenen Fächern Chemie und Physik war er sehr interessiert. Obwohl sie nachmittags stattfand, hatte er sich auch an einer freiwilligen Chemie-AG in seiner Schule beteiligt.
„Manchmal“, erzählte der Mann weiter, „und auch an dem Tag, als Patrick verschwunden ist, sind wir mit dem Rad zum Schrebergarten von meinem alten Freund und Straßenbahnerkollegen Ottmar gefahren. Der wurde ein Jahr vor mir pensioniert und hat sich seither sehr in seinen Garten reingekniet. Ganz viele verschiedene Rosensorten züchtet er dort und er erntet auch eine enorme Gemüsevielfalt. Er hat uns oft etwas mitgegeben, Tomaten, Gurken oder Radieschen, obwohl ... wenn ich ehrlich bin, wenn man die Gartenanlage dort nahe beim Oberwald so anschaut: Auf der einen Seite die Straße und nach hinten dieses heruntergekommene Fabrikgelände. Richtig schmecken wollte mir das Zeug eigentlich nie. Aber ich war ja auch mehr dort, um mit Ottmar in seiner Laube zusammenzuhocken. Er war nie verheiratet und seit er im Ruhestand ist, fehlt ihm der Umgang mit Menschen schon sehr. Der hat immer viel zu erzählen – fast zuviel.“
Berghoff rollte etwas mit den Augen und Lindt nickte verständnisvoll: „Kann ich verstehen, mir gehen ›Vielschwätzer‹ auch ziemlich auf die Nerven. Aber was hat denn Ihr Enkel gemacht, solange Sie mit Ihrem Kollegen zusammensaßen?“
„Ach, für Patrick war das ganz ideal da. Im Garten schräg gegenüber, da traf er sich oft mit zwei Jungs und einem Mädchen, fast im gleichen Alter, mit denen hat er sich ganz gut verstanden. Meistens sind sie mit den Fahrrädern rumgefahren und haben die Gegend unsicher gemacht, oft fuhren sie bis in den Oberwald rüber. Ich war froh, dass Patrick sich da austoben konnte, denn viele Kinder sitzen doch nur zu Hause vor dem Fernseher rum und machen irgendwelche Videospiele oder anderes dummes Zeug.“
Paul Wellmann schaltete sich ein: „Hat Ihnen der Junge vielleicht mal irgendwas Ungewöhnliches erzählt? Hat er jemanden getroffen, der ihm komisch vorkam oder hat er etwas Seltsames entdeckt – bei Ihnen im Haus etwa, beim Angeln, in den Schrebergärten oder irgendwo anders?“
„Eigentlich“, meinte Albert Berghoff, „kann ich mich an so was nicht erinnern. Er brachte mal Kaulquappen in einer Plastiktüte mit, die musste ich zu Hause dann in einen Eimer setzen, damit er sie weiter beobachten konnte. Sogar ein kleines Aquarium haben wir am Tag darauf gekauft und es mit Kies und Pflanzen eingerichtet. Das war im April, glaube ich. Patrick wollte ...“ Berghoffs Stimme versagte plötzlich und seine Augen wurden feucht.
„... wir wollten zusammen zuschauen, wie sie sich zu Fröschen entwickelten, aber dazu ... dazu ist es ja leider nicht mehr gekommen.“
Der alte Mann musste heftig schlucken und schnäuzte sich die Nase. „Entschuldigen Sie bitte, aber manchmal, da überkommt es mich einfach.“
„Wir möchten Sie mit unseren Fragen bestimmt nicht unnötig belasten“, versuchte Lindt ihn zu beruhigen, „aber, sprach der Junge denn über alles mit Ihnen oder hatte er auch Geheimnisse?“
Berghoff zögerte etwas: „Geheimnisse nicht, doch manchmal – sehr selten zwar – manchmal musste ich auch mit ihm schimpfen. So wie einmal, als er mit den anderen Kindern da hinter den Gärten ein Loch im Zaun vom Fabrikgelände gefunden hat. Sie waren längere Zeit dort, vielleicht haben sie die alten Hallen erkundet.“
„Wird da nicht mehr drin gearbeitet?“, staunte der Kommissar. „Vor Jahren wollte die Firma doch noch unbedingt erweitern.“
„Also“, antwortete Berghoff stockend, „so genau weiß ich das auch nicht. Der Ottmar meint, dass die Fabrik da langsam immer mehr reduziert wird. Vielleicht verlegen sie ihre Produktion ja ins Ausland. Da sind dann auch die Auflagen nicht so streng mit Umweltschutz und so. In den alten Hallen, die man von der Kleingartenanlage aus sehen kann, wird aber sicher nicht mehr gearbeitet. Es ist von dort nichts zu hören, kein Licht zu sehen und auch keine Arbeiter weit und breit. Nur stinken tut es manchmal und das kann eigentlich nicht von den neueren Hallen kommen, die weiter vorne stehen und wo produziert wird.“
„Hat Ihr Enkel damals was erzählt, wie es auf diesem
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