Bucheckern
Plastikbeutel.“
Der Kriminalist nickte bestätigend, doch als die Wissenschaftlerin sich einem großen Laborgerät zuwandte, blieb sein Blick unweigerlich nochmals an ihrem äußeren Erscheinungsbild hängen. Er schätzte sie auf knapp unter vierzig, bei flüchtigem Hinsehen konnte man sie aber auch für zehn Jahre älter halten.
Die unterschiedlichsten Ringe aus Gold und Weißgold steckten an ihren Fingern, deren Haut schon außergewöhnlich faltig und strapaziert wirkte – sicherlich eine Folge des ständigen ungeschützten Kontakts mit aggressiven chemischen Substanzen.
Jeans und T-Shirt waren genau wie die schräg abgelaufenen Korksandalen bestimmt schon zehn Jahre alt und komplettierten den Eindruck, dass es weder um die gesundheitlichen noch um die finanziellen Verhältnisse der Chemikerin besonders gut stand.
„Irgendwann hat sie wohl das Weiterklettern auf der Karriereleiter verpasst“, dachte Lindt, ärgerte sich aber im selben Moment auch schon über seine Gedanken. Sich vom ersten äußeren Eindruck leiten zu lassen, war sonst eigentlich gar nicht seine Art. Er bemühte sich immer um den Blick hinter die Fassade und so wandte er sich schnell dem Analysegerät zu, an dem Karin Häußler gerade irgendwelche Einstellungen vornahm: „Was können Sie denn mit diesem Kasten da anstellen?“
„Das hier, mein lieber Kommissar, ist kein Kasten, sondern ein Gas-Chromatograph, mit dem wir alle Einzelsubstanzen, die in ihrer Probe enthalten sind, genau herausfinden können. Es braucht zeitaufwendige Vorarbeiten, aber die habe ich schon alle erledigt und das Ergebnis wird jetzt gleich auf dem Monitor dort erscheinen“, erwiderte sie und zeigte auf den rechten der drei Computerbildschirme.
Lindt schaute fasziniert zu, wie eine Grafik aus einer Vielzahl verschieden farbiger und unterschiedlich langer Linien entstand, als ihn der Klingelton seines Handys plötzlich zusammenzucken ließ.
KTU- Chef Willms war in der Leitung und recht verwundert, den Kommissar im Chemischen Untersuchungsamt zu erreichen. Er stichelte etwas: „Flott, flott, Oskar, bist ja doch noch ganz schön schnell. Hätte nicht gedacht, dass du schon dort bist.“
„Da kannst du mal sehen und die Analyse der Erde ist auch so gut wie fertig. Hier geht’s wohl etwas zügiger als bei euch in der KTU. Sag mal, du hast mir vorhin gar nichts zum Inhalt der Tüte gesagt. Gibt es da keine Ergebnisse – ihr habt doch auch ein paar Untersuchungen durchgeführt?“
„Gerade deswegen rufe ich doch an – muss ich wohl irgendwie verschwitzt haben. Also folgendes, aber nichts Spektakuläres: Die Probe besteht überwiegend aus Sand mit einem geringen Anteil von Lehm, so um die zwölf Prozent – doch das wird euch nicht sehr weiterhelfen, denn leicht lehmiger Sand ist im ganzen Rheintal die häufigste Bodenart überhaupt.“
„Erinnert mich noch irgendwie an meine Schulzeit – Erdkunde, Geologie und so. Das sind doch alles die Flussablagerungen vom Rhein und seinen Nebenflüssen.“
„Genau“, tönte Willms aus dem Handy, „kein Fehler, wenn man ab und zu noch was aus der Schule behalten hat. Aber zurück zu den Ergebnissen: Wir haben da noch einige organische Teile in der Probe gefunden. Ein paar Grashalme, Teile von Brennnesselblättern, ein Stück von einem vertrockneten Brombeertrieb und – ja, das ist vielleicht eher interessant, zwei Bucheckern, die gerade begonnen hatten, zu keimen.“
„Bucheckern“, Oskar Lindt zögerte etwas, „das sind doch ...“
„Die Samen eines Baumes“, ergänzte der KTU-Chef mit leicht oberlehrerhaftem Unterton. „Genauer gesagt, die der Rotbuche – Fagus silvatica mit lateinischem Namen – sollte man auch noch aus der Schule wissen, aber die Biologie war wohl nicht so deine starke Seite.“
„Von wegen – danke für die Hilfe, Herr Lehrer – ... nein, nein, die Buchen kenne ich natürlich. Bei uns stehen genügend davon am Waldrand und lassen jetzt gerade wieder massenhaft ihr Laub auf den Rasen fallen. Der Hausmeister kämpft immer mit so einem Blasegerät dagegen an. Das schafft er natürlich nie, aber das Ding macht einen Höllenlärm.“
„Gut“, Willms kam zum Schluss, „ab morgen hast du alles auf deinem Schreibtisch und die weiteren Ergebnisse von den chemischen Feinuntersuchungen bekommst du ja nun ganz direkt mit.“
Lindt drückte auf sein Handy und wandte sich wieder Karin Häußler zu, die sehr erstaunt und verwundert den Kopf schüttelte: „Das hätte ich jetzt auch nicht
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