Bucheckern
den Jungen treffen wollte.“
„Dann bleibt an Spuren ja nur noch die ›Gauloises‹-Packung, die ich gestern am Fundort der Leiche im Wald entdeckt habe“, warf Lindt ein. „Es ist ja nur eine vage Vermutung, dass die etwas mit dem Fall zu tun haben könnte – konntet ihr da was herausfinden?“
„Leider, Oskar“, antwortete Willms, „hier muss ich dich enttäuschen. Zwei halbwegs brauchbare Fingerabdrücke konnten wir abnehmen, doch die waren in unserer Datenbank nicht registriert. Wahrscheinlich aber ein Mann und zudem einer mit ziemlich großen Händen. Mehr war nicht festzustellen.“
Dann fuhr er fort: „Also, wir haben unseren Teil gemacht, hoffentlich bringen euch die Ergebnisse weiter, nun seid ihr am Zug.“ In der Tür drehte er sich noch mal um: „Die Erde in dem Plastikbeutel – da ist Frau Doktor Karin Häußler beim Chemischen Landesuntersuchungsamt zuständig. Ruf doch mal an, vielleicht weiß sie schon was.“
„Das mache ich gleich – vielen Dank, Ludwig, bis zum nächsten Mal.“
Lindt wandte sich an seine beiden Mitarbeiter: „Gut, Zeit zum Mittagessen jetzt, den Sauerbraten in der Kantine wollten wir doch nicht verpassen, wenn es zur Abwechslung schon mal was Genießbares gibt.“
„Genau, Sauerbraten mit Knödeln, quasi als Gegengewicht zu diesem Supersportler von der KTU“, witzelte Paul Wellmann, als sie in der Schlange vor der Essensausgabe standen.
Er drehte sich zu Oskar Lindt um: „Dann versuchen wir nachher, die Kinder aus der Kleingartenanlage ausfindig zu machen, die Namen und die Anschrift in der Aue haben wir ja.“
Sein Chef war einverstanden: „Und ich fahre gleich mal raus zum Untersuchungsamt. Persönlich vorbeischauen hat immer noch mehr gewirkt als anzurufen, um so ein Amt etwas auf Trab zu bringen.“
Er kratzte sich kurz am Ohr: „Doch, ja, und eine kleine Zusammenfassung schreibe ich auch noch, nur Stichworte, was wir mittlerweile an gesicherten Fakten so alles haben.“
Lindt hatte für seine Person die Erfahrung gemacht, dass das Aufschreiben eines Sachverhalts das Gehirn dazu bringt, die Geschehnisse besonders intensiv zu reflektieren. „Vielleicht werden durch die manuelle Tätigkeit des Schreibens noch weitere Hirnbereiche aktiviert, die beim reinen Nachdenken oder beim Gespräch im Team gar nicht einbezogen werden“, hatte er versucht, sich das zu erklären. Aber eigentlich war es ihm völlig egal, wieso dieser Effekt eintrat – jedenfalls kam er dadurch voran.
Die Chemikerin
Im Chemischen Landesuntersuchungsamt musste sich der Kommissar erst durchfragen, um zur entsprechenden Abteilung zu gelangen.
„Dr. Karin Häußler“, vergilbte Kunststoffbuchstaben steckten auf dem Namensschild neben einer glatten grünen Türe und als Lindt nach mehrfachem Klopfen keine Antwort bekam, öffnete er und sah in ein weitläufiges Labor. Das kalte Licht von Neonröhren spiegelte sich in unzähligen gläsernen Versuchsapparaturen, die auf langen Arbeitstischen installiert waren. Eine Geräuschkulisse aus Blubbern, Tropfen und Zischen umgab die Gerätschaften. ›Hexenküche‹, war Lindt’s erster Eindruck, doch die Hochtechnik im Raum passte wiederum gar nicht in ein mittelalterliches Bild.
Weit hinten, der Tür fast entgegengesetzt, entdeckte er nach einigem Umherschauen zwischen drei Computerbildschirmen endlich ein menschliches Wesen.
„Wer hat Sie denn hier reingelassen?“, eine zierliche, aufgrund ihres langen weißen Arbeitsmantels fast schon schmal wirkende Frau fuhr ihn über den Rand eines Monitors hinweg recht unfreundlich an, noch bevor er sich vorstellen konnte. „Entschuldigen Sie mein unangemeldetes Eindringen in ihr Heiligtum – Lindt, Kripo Karlsruhe. Wir kommen meistens überraschend, das ist so unsere Art. Sind Sie Frau Doktor Häußler, Karin Häußler?“
„Ganz genau, die bin ich – hoffentlich habe ich nichts verbrochen, dass Sie mich so überfallen. Die meisten Besucher rufen vorher wenigstens an.“ Die Chemikerin strich sich die leicht fettigen dunkelblonden Strähnen ihrer Pagenfrisur aus dem Gesicht.
Die Laboratmosphäre schien nicht besonders gesundheitsfördernd zu sein – dieser Gedanke drängte sich Lindt bei einem kurzen Blick in ihr Gesicht geradezu auf. Kaffee und Nikotin als Hauptnahrungsmittel in einer fensterlosen Kunstlichtwelt – zwei volle Aschenbecher und eine Kaffeemaschine mit starken Gebrauchsspuren bestätigten diesen Eindruck.
„Ach, Sie kommen sicher wegen dieser Erde in dem
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