Bucheckern
das habe ich mit meinen Artikeln ans Tageslicht zu bringen versucht – leider wurde ich zurückgepfiffen.“
„Ohne den genauen Inhalt Ihrer Kommentare kommen wir aber vermutlich nicht weiter, Herr Blech. Können Sie mir die Einzelheiten aus Ihrem Gedächtnis schildern oder haben Sie noch weitere Archivsysteme? Mikrofilm oder so was in der Art?“
„Leider nicht“, antwortete der Redakteur, „Mikrofilm war uns zu teuer. Wir haben zwar schon begonnen, die einzelnen Bände in unser jetziges Computernetzwerk einzuscannen, aber das braucht so viel Zeit, dass wir es uns nur mit Aushilfskräften leisten können, die nicht viel kosten. Deshalb haben wir erst fünf Jahrgänge geschafft. Wir kennen den Wert unseres Archivs hier unten. Alle Jahrgänge seit der Zeitungsgründung im Jahr 1865 lagern hier – im Krieg wie durch ein Wunder verschont geblieben. Das sind unschätzbare Werte. Nicht umsonst ist die schwere Zugangstür nur mit Codekarte zu öffnen, die kleinen Oberlichter sind aus Panzerglas und im Brandfall kann der ganze Bereich mit Kohlendioxid geflutet werden. Das ist schwerer als Luft und erstickt ein Feuer im Nu, ohne dass es einen Schaden durch Löschwasser gibt.
Andererseits wird hier auch viel gearbeitet. Unsere Mitarbeiter haben unbeschränkten Zutritt, oft recherchieren auch Diplomanden und Doktoranten von den verschiedensten Universitäten. Bei denen ist dann aber immer einer unserer eigenen Leute mit dabei, schon wegen der Suche.“
Lindt überlegte: „Die Zugangszeiten der verschiedenen Codekarteninhaber werden doch bestimmt in Ihrer EDV-Anlage protokolliert. Vielleicht erhalten wir so einen Hinweis, wer die Seiten entwendet hat.“
Blech nickte: „Lassen Sie uns wieder nach oben in mein Büro gehen, da werde ich das gleich veranlassen. Allerdings kann es eine Zeit dauern.“
„Dann lasse ich noch einen Kollegen kommen, der das übernimmt und auch gleich die einzelnen Leute befragt“, fügte der Kommissar hinzu und bestellte per Handy Paul Wellmann in die EDV-Zentrale des Zeitungsverlages.
Die Erinnerungen
Zurück in Blechs Büro begann der, die Einzelheiten zu erzählen: „Warum, so habe ich mich damals gefragt und auch so geschrieben, soll eine städtische Baubehörde ohne regulären Ratbeschluss einen Bebauungsplan fertigen, der nur auf ein einziges Unternehmen zugeschnitten ist? Der Zeitaufwand für die Planung dürfte nicht sehr hoch gewesen sein, eine Woche Arbeitszeit vielleicht, denn die Erschließungsstraßen und die weitere Infrastruktur, also Strom, Telefon, Wasser und Kanalisation konnten problemlos am bestehenden Industriegebiet angeknüpft werden. Die Kapazitäten waren völlig ausreichend. Das Gelände selbst steht bis heute ohnehin im Eigentum der Stadt und ist nur an Landwirte und die Kleingärtner verpachtet.
Die – entschuldigen Sie das Wort – eigentliche Sauerei bestand darin, dass dasselbe Gebiet wenige Jahre vorher einschließlich des Oberwaldes zum Landschaftsschutzgebiet erklärt worden war. Wegen der sehr großen Bedeutung für die Naherholung, so hatte man in den Verordnungstext geschrieben, sollte nicht nur das Waldgebiet, sondern auch die angrenzenden Grünflächen geschützt werden und von Bebauung frei bleiben. Die vielen Einwohner der umliegenden Stadtteile, die den ganzen Bereich zum Spazieren gehen, Radfahren und so weiter nutzen, bestätigen doch, dass die Ausweisung als Schutzgebiet richtig und notwendig war. Der vierspurige Ausbau der Straße, der einige Jahre später vorgenommen wurde, passt natürlich auch nicht dazu, aber das wäre ein anderes Thema.
Dass die Bevölkerung mit der Erweiterung des Industriegebietes nicht einverstanden war, zeigte sich in den spontanen Demonstrationen vor dem Rathaus, aber meine Kommentare zielten in eine andere Richtung.“
„Kann ich mir schon denken“, unterbrach ihn Lindt, „die Sache stinkt nach Korruption, Vorteilsannahme, wie es so schön heißt. ›Wir sind bestechlich, aber wir sind nicht billig‹ – den Spruch eines Kollegen habe ich kürzlich aufgeschnappt. Er meinte ihn sicherlich scherzhaft, denn wer die Hand aufhält, wird keinesfalls darüber reden. Aber bitte, fahren Sie doch fort, ich habe Sie unterbrochen.“
„Ganz recht, Ihre Vermutung, Herr Lindt. Diese Verwaltung wird dauernd wegen Trägheit kritisiert. Warum sollen die dann eine solche Planung in kürzester Zeit anfertigen und zu einem Zeitpunkt durch das Stadtparlament absegnen lassen, wo mit sehr wenig Widerstand zu rechnen ist,
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