Bucheckern
einer WG wohnt, seit er sich vor einem halben Jahr Knall auf Fall von seiner langjährigen Freundin getrennt hat. Ärztin war die, glaube ich – hatte wohl was Besseres als einen Zeitungsschreiber gefunden.“
Blech lachte rau über seinen eigenen Scherz und hustete dabei rasselnd. Er streckte sich zu seinem Schreibtisch hinüber und holte aus einem Schubfach eine hölzerne Zigarrenkiste heraus. „Direktimport aus Honduras, im Fünfundzwanziger-Bündel ziemlich günstig. Eigentlich gehören sie ja in einen Humidor mit konstanter Feuchtigkeit, aber ich rauche sie schnell, bevor sie austrocknen.“
Er lachte und hustete abermals stark, klappte den Deckel auf und streckte Lindt die Kiste hin. Der zögerte kurz, denn eigentlich war er auf Pfeife fixiert. Zigaretten rauchte er grundsätzlich nicht, aber bei einer guten Zigarre fiel es ihm doch schwer, nein zu sagen.
„Vielen Dank, da bin ich mal gespannt, wie ›Honduras‹ schmeckt.“ Beide schnitten die Spitzen ihrer Coronas ab und Blech gab dem Kommissar Feuer mit einem großen Standfeuerzeug, passend zur sonstigen Einrichtung der Redaktion auch aus Edelstahl und mattem Glas.
Lindt paffte einige Rauchwolken in die Luft des hohen Raumes und zeigte sich anerkennend: „Vielen Dank, als schlecht bezahlter Beamter rauche ich immer gerne die ›holländische‹ Sorte ... wie, die kennen Sie nicht? Sie heißt ›Van Anderen‹.“
Blech verstand den Witz mit einer Verzögerung von zwei Sekunden, lachte und hustete dann aber umso heftiger, dass Lindt fürchtete, der schwergewichtige Zeitungsboss würde keine Luft mehr bekommen. „Gut – der war wirklich gut, so hat noch niemand das Schnorren umschrieben, muss ich mir unbedingt für die Wochenendausgabe merken“, japste er.
Als er sich wieder gefangen hatte, besann er sich: „Aber wo waren wir denn stehen geblieben? Ach ja, Ebert, privat und dienstlich ... ja ... die Eltern sind beide schon verstorben, das weiß ich noch. Keine Ahnung, ob er weitere Angehörige hat, da müsste ich mal in der Personalabteilung ...“
Lindt unterbrach ihn: „Nein, nicht nötig, die nächsten Angehörigen ermittelt und benachrichtigt schon einer meiner Kollegen. Wichtiger wäre für mich, ob Ebert gerade an einer brisanten Sache recherchiert hat, irgendetwas Heißes sozusagen?“
Chefredakteur Blech stieß sechs Rauchringe aus und legte seine Stirn in Falten: „Auf Anhieb fällt mir nichts derartiges ein. Er macht bei uns eigentlich alles, von der Stadtratssitzung bis zur Versammlung der Kleintierzüchter, ab und zu auch Kultur und Sport. Er kennt sich überall gut aus und hat eine flotte Schreibe, einen gut lesbaren Stil, wenn Sie wissen, was ich meine. Manchmal schreibt er auch einen Kommentar, witzig, treffend, aber nicht verletzend. Kommt gut an bei unserer Leserschaft.“
„Ein echtes Multitalent also, wenn ich das richtig verstanden habe“, hakte Lindt nach und erhob sich: „Wenn Ihnen hier so spontan nichts einfällt, würde ich gerne noch einen Blick in Ihr Archiv werfen, vielleicht finden wir dort einen Anhaltspunkt. Einer meiner Mitarbeiter, der Ebert gut kennt, hat ihn um ein paar Kopien von älteren Artikeln ihrer Zeitung gebeten.“
„Klar doch, kommen Sie mit.“ Schwerfällig schnaufend stand auch Elmar Blech auf und durchpflügte mit seinem massigen Körper das futuristische Großraumbüro in Richtung Treppenhaus.
„Wonach müssen wir suchen?“, fragte er, als sie im Untergeschoss vor einer dicken Stahltüre standen.
„Die Sache mit der Erweiterung der ›Blanco‹-Fabrik, erinnern Sie sich daran?“ antwortete Lindt.
Blech zuckte leicht zusammen und die Code-Karte, die er zur Überwindung der Sicherheitseinrichtungen gerade durch ein Lesegerät an der Wand gezogen hatte, zitterte unmerklich in seiner Hand. Die zentnerschwere Tür schwang langsam und schwergängig auf. Im Dämmerlicht des Raumes konnte Lindt die langen Regalreihen des Zeitungsarchivs erahnen. Blech tastete nach einem Schalter neben der Tür und die aufflackernde kalte Neonbeleuchtung verdrängte die Dunkelheit.
Überraschend schnell fand der Chefredakteur die richtige Regalzeile und begann, mehrere zu großformatigen Büchern gebundene Zeitungsausgaben auf einen langen Tisch zu legen.
„Wissen Sie denn noch, zu welcher Zeit das damals war?“ staunte er, als der Redakteur gleich die richtigen Bände gefunden hatte.
Blech drehte sich ruckartig um und schaute dem Kommissar geradewegs in die Augen: „Als ob ich das vergessen
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