Bucheckern
Verwaltung bekam ich nur nichtssagende lapidare Auskünfte wie – lange geplant – muss endlich mal abgeschlossen werden – wir freuen uns über neue Arbeitsplätze – und so weiter.
Sehr erstaunlich war dann, dass die meisten Stadträte von der ganzen Angelegenheit überhaupt nichts wussten und genauso überrascht waren wie ich. Der Sitzungstermin lag in den großen Schulferien und außer dieser Planung war nur trockener Verwaltungskram zu beschließen. Viele Stadträte hatten sich wegen Urlaub schon lange vorher für diesen Termin entschuldigt und das Gremium war nur ganz knapp beschlussfähig. Für mich war klar: Die Sache stinkt!“
„Und zwar ganz gewaltig“, kopfnickend stimmte Lindt dem Redakteur zu.
„Also überlegte ich nicht lange – damals war ich ja noch ein paar Tage jünger – und ließ kurz vor der Sitzung einen sehr pointierten Kommentar los. Allerdings war ich schlau genug, nichts zu behaupten oder zu unterstellen. Ich schrieb alles in Frageform. Sogar unseren damaligen Hausjuristen habe ich bemüht, damit der Artikel nicht angreifbar war.“
„Was haben Sie denn genau geschrieben?“, wollte der Kommissar wissen.
Blech nahm einen der Zeitungsbände auf dem Tisch und blätterte darin. „Moment, ich weiß das Datum noch genau, der Sitzungstermin war am dreißigsten Juli und mein erster Kommentar erschien zwei Tage vorher.“ Er suchte die Lokalseite des betreffenden Tages: „Hier kommt es jetzt gleich, davor der Sportteil und dann ...“
Blech blätterte immer schneller vorwärts, dann wieder zurück und erbleichte dabei zusehends: „Die Seite fehlt, sehen Sie, da, rausgetrennt! Das ist ja die Höhe, was soll denn das, wer macht denn so was!“
Die Gesichtsfarbe des Chefredakteurs wandelte sich in Sekundenschnelle in flammendes Rot, sein Atem ging stoßweise und er griff sich reflexartig an die Brust, sodass Lindt ganz erschrak und ernsthaft einen Herzinfarkt befürchten musste.
„Was ist denn, ist Ihnen nicht gut? Lassen Sie mal sehen.“ Der Kommissar beugte sich erst zu Elmar Blech, der sich aber schon wieder etwas entfärbte und dann über den Zeitungsband. Er konnte deutlich sehen, dass eine Seite herausgetrennt worden war.
„Scharfes Messer, Skalpell oder so was in der Art“, analysierte der Kriminalist die Spur des Schnitts.
„Das ist doch nicht möglich, geben Sie mal her!“ Blech zog den Band zu sich hin und blätterte aufgeregt nach weiter hinten.
„Hier, rausgetrennt ... und hier ... auch weg ... und der letzte Kommentar ... auch verschwunden!“ Resigniert legte der Redakteur die gebundenen Zeitungen zurück auf den Tisch.
„Vier Artikel hatte ich veröffentlicht, bis ich gestoppt wurde – und alle vier sind weg. Was soll das bedeuten? Wieso? Ist doch längst Vergangenheit.“ Er sah den Kommissar fragend an.
„Tja ...“ kratzte sich der gewohnheitsmäßig am Ohr. „Das werden wir vielleicht wissen, wenn wir den Inhalt der Kommentare kennen. Bei den Kopien, die uns ihr Mitarbeiter Ebert ins Präsidium gebracht hat, haben nämlich genau diese Auszüge auch gefehlt – zumindest, als wir den Umschlag geöffnet haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mehr Blätter drin waren, als Ebert mir das Kuvert einen Tag vorher in die Hand gab.“
„Wie, bei Ihnen im Kommissariat verschwinden Unterlagen?“, fragte Elmar Blech mit gerunzelter Stirn und sein Tonfall war, als hätte er Witterung nach einer neuen heißen Story aufgenommen.
„Bitte, bitte, es ist eine reine Vermutung, völlig unbestätigt.“ Lindt ärgerte sich, dass er offenbar wieder einmal einen Satz zu viel gesagt hatte. „Da können Sie nichts drüber schreiben ... aber sind die Artikel von damals nicht noch auf eine andere Art und Weise gespeichert – digital oder so?“
„Leider nicht“, antwortete Blech, „zu der Zeit hatten wir zwar bereits elektrische Schreibmaschinen, aber das war auch schon alles. Wir haben erst vor zirka fünfzehn Jahren auf EDV umgestellt, etwas langsamer als unsere Konkurrenz.“
„Ja genau, Ihre Konkurrenz, die hat doch sicher auch über die ganze Angelegenheit berichtet“, wandte Lindt ein.
„Stimmt schon, aber nur über die Bürgerproteste und die letztendliche Ablehnung durch den Stadtrat. Das, was in meinen Kommentaren stand, war zu heiß, darauf wollten die sich nicht einlassen. Außerdem war der damalige Lokalchef von denen ein enger Parteifreund vom Baubürgermeister. Ich denke, Herr Lindt, Sie merken schon, worauf das ganze hinausläuft und genau
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