Buddha-Boy
machen?«
»Hast du sie mal gefragt?«
»Sie gefragt?«
»Ja, einfach so: âºWas ist dein Geheimnis?â¹Â«
Er sah mich immer noch ehrfürchtig an. »Du meinst, ich soll sie einfach so nach dem Geheimnis fragen?«
Ich nickte feierlich.
»Und sie würde es mir vielleicht verraten?«
Ich nickte wieder. »Manchmal brauchen die Dinge einen kleinen Schubs in die richtige Richtung. Siehst du die beiden Zweige?«
»Ja.«
»Sie drehen sich umeinander, als ob sie in der Umlaufbahn des anderen gefangen wären, stimmtâs?«
»Ãh ⦠okay.«
»Pass auf!« Ich hob neben mir einen Stein auf, zielte und warf ihn ins Wasser, direkt zwischen die Zweige und die kleine Halbinsel. Die Wellen vom Felsbrocken schoben die Zweige fort ⦠noch ein bisschen weiter ⦠Dann drehten sich die Zweige vom Felsen weg und schwammen tiefer ins Wasser hinein.
»Wow! Das ist ⦠Das ist ⦠wow! Du bist wirklich der Zen-Meister, stimmtâs?«
Ich lächelte. Die Zweige glitten davon.
Eine
Hand wäscht die andere
Als meine Mutter endlich von der Arbeit nach Hause kam, hatte sie eine Ãberraschung für mich. »San, stell dir vor«, sagte sie atemlos vom Treppensteigen, mit Einkaufstüten beladen, »ich habe heute den ersten groÃen Scheck für meine Ãberstunden bekommen. Ich bin gleich in der Mittagspause einkaufen gegangen und hab dir endlich eine Winterjacke besorgt. Ich wünschte nur, wir hätten uns das schon früher leisten können.« Sie riss einen knallgrüngelben Parka aus einer Tüte. Der Parka sah aus, als könnte er zur Uniform einer blinden Skipatrouille gehören. »Weil die Wintersaison bald vorbei ist, war er runtergesetzt. Unglaublich, dass ihn sich noch keiner geschnappt hat. Haben wir ein Glück! Und das ist noch nicht alles! Handschuhe habe ich dir auch gekauft.«
Toll. Sie waren schneeweiÃ. Wer trägt bitte weiÃe Winterhandschuhe? Sollte ich vielleicht den Clown spielen? Aber ich wusste, dass sie sich wahnsinnig freute, mir das Zeug gekauft zu haben, also setzte ich eine begeisterte Miene auf.
Jedenfalls, bis sie das letzte Mitbringsel aus dem Plastikbeutel zog. »Und ⦠trara! Sneakers! Gute Sneakers! WeiÃt du noch, wie ich dir mal versprechen musste, erst welche zu kaufen, wenn wir uns Markenschuhe leisten können? Ich finde immer noch, dass das albern von dir war. Aber ich hab dir echte Hightops von Nike gekauft. In deiner Lieblingsfarbe Rot. Du hast doch gesagt, dass ihr Basketball spielt. Dafür müssten die eigentlich perfekt sein!« Als Mom mein Gesicht sah, unterbrach sie sich. »Schatz, was ist denn los? Du siehst aus, als hättest du eine Zitrone verschluckt.«
Es waren schöne Basketballschuhe. Sehr schöne Basketballschuhe. Abgesehen von der scheuÃlichen Farbe hatte meine Mutter meinen Geschmack genau getroffen. Aber wie konnte ich mit diesem Luxus-Outfit, dieser brandneuen Marken-Oberbekleidung, noch ein Zen-Jünger sein? »Ach, es ist nichts, Mom. Mein Bauch tut weh, das ist alles. Vielleicht hab ich beim Mittagessen saure Milch getrunken oder so was. Aber die Sachen sind toll. Echt. Danke. Ich glaube, ich leg mich jetzt hin, wennâs dir nichts ausmacht.«
Sie sah ziemlich enttäuscht aus, als hätte ich ihren Shopping-Siegeszug ruiniert. Aber ich konnte nichts dagegen tun. Wie um alles in der Welt sollte ich das in der Schule erklären?
Ich nahm die Tüten und zog mich zum Nachdenken in mein Zimmer zurück. Während ich überlegte, probierte ich alles an. Die Sneakers waren unglaublich weich und warm und meine FüÃe fühlten sich an, als wären sie gestorben und in den Himmel gekommen. Aber das war mir egal. Nicht egal war mir, wie ich sie jeden Tag auf dem Weg zur Schule ausziehen, den ganzen Tag verstecken und auf dem Heimweg wieder anziehen könnte. Ach was, ich war ein schlaues, cleveres Bürschchen, mir würde schon was einfallen.
Als Erstes kam mir die Idee, die Sandalen vor dem Schlafengehen einfach in den Rucksack zu stopfen, die Sneakers beim Verlassen der Wohnung zu tragen, drauÃen die Sandalen wieder anzuziehen und am Nachmittag das Gleiche in umgekehrter Reihenfolge durchzuspielen. Aber mein blöder Rucksack war durchsichtig. Wegen der verflixten Sicherheitsvorschriften der Schule. Dann erwog ich, die Sandalen zwischen den Schulbüchern irgendwo in der Mitte des
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