Buddha-Boy
auch nichts kann. Ich hatte sowieso keine Lust, mit der zuckersüÃen Miss shoppen zu gehen. Ich wollte nur meine richtige Mutter haben.«
»Und wo ist deine richtige Mutter?«
»Keine Ahnung, San. Sie ist einfach fort. Sie hat zwar eine Postadresse hinterlassen, sich aber nicht ein einziges Mal mit uns in Verbindung gesetzt. Sie hat sich davongemacht und, soweit ich weiÃ, nie zurückgeschaut. Du hast Glück. Ich wette, deine Familie ist nicht so verkorkst wie meine.«
Ha! Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, aber die Klingel rettete mich. Wir beeilten uns, rechtzeitig zum Unterricht zu kommen, und als wir ihr Klassenzimmer erreicht hatten, war der magische Moment vorbei.
Auf dem Weg zu meinem SchlieÃfach dachte ich an die Ironie des Schicksals: Die Sache mit dem fehlenden Elternteil hätte Woody und mich zusammenschweiÃen können, dann hätte sie mich aber wegen all der Lügen, die ich ihr bereits aufgetischt hatte, gehasst. AuÃerdem war unsere jeweilige Lage ein bisschen anders. Sie wollte ihre Mutter zurück. Ich wünschte mir, dass mein Vater für immer weggeschlossen blieb.
Ich hatte das traurige Gefühl, dass wir beide nicht bekamen, was wir wollten.
In meinem SchlieÃfach fand ich eine neue Zen-Notiz:
Wie soll ich es ergreifen? Ergreife es nicht. Das, was bleibt, wenn nichts mehr zu ergreifen ist, ist das Selbst.
Panchadasi
Was hatte das zu bedeuten? Wer hatte den Zettel reingeschoben? Und warum?
Mir fiel ein, dass Peter vor allen anderen in die Schule gegangen war. Er musste mein heimlicher Zettel-Stalker sein. Was bedeutete, dass er mich in der Bücherei gesehen hatte. Aber wieso steckte er die blöden Botschaften in meinen Spind? Wollte er, dass ich durchdrehte und zugab, dass ich ein Schwindler war? Warum konfrontierte er mich nicht einfach damit? Das musste ich herausfinden.
Ich saà wahnsinnig wütend die Englischstunde ab, die interessant war, weil wir einen groÃen Gedanken im Tao von Pu besprachen: wu wei oder âºohne zu tun, zu verursachen oder zu machenâ¹. Wu wei gleicht dem âºDenken, ohne zu denkenâ¹. Die Idee dahinter ist die, dass man alles an sich abperlen und sich treiben lassen soll. Das war seltsam: wu bedeutet âºohneâ¹, und das chinesische Symbol für wei stammt zum Teil von einer greifenden Klaue ab. Man sollte also entspannen und aufhören, nach etwas zu greifen â wie das Zitat in meinem SchlieÃfach empfahl. Laut Taoismus wird alles gut, wenn man sich so verhält. Ja, klar. Wenn jemand versucht, dein ganzes Leben zu sabotieren â wie kann man das einfach an sich abperlen lassen?
Na warte! Dem würde ich es zeigen. Niemand hindert mich am Geschirrspülen, wenn ich Geschirr spülen will. Meine Mutter konnte mich nicht daran hindern, Sprossen konnten mich nicht daran hindern und von einem durchgedrehten Stiefbruder würde ich mich schon dreimal nicht hindern lassen. Ich musste mir einen Plan ausdenken, wie Woody und ich wieder ins Suppengeschäft kämen. Aber zuerst musste ich Peter gegenübertreten, auch wenn er ein Furcht einflöÃender Riese war.
Im Flur, auf dem Weg zur Schulkantine, holte ich ihn ein. »Hallo, Peter«, fauchte ich. »In letzter Zeit interessante SchlieÃfächer besucht?«
»Wovon redest du?«
»Oh, ich glaube, das weiÃt du sehr genau.«
»Nein.«
»Ja, ja. Hör zu, Peter, ich weiÃ, dass du Bescheid weiÃt.«
»Worüber denn?«
»Ãber mein Geheimnis. Sag mir nur, was ich tun soll, damit du es nicht überall herumposaunst!«
»Was? Du schämst dich wegen deines Geheimnisses, San?«
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Warum darf ich es dann meiner Mutter nicht sagen?«
Mist. Seine Mutter wusste auch Bescheid?
»Und wieso streitet Woody das Ganze ab? Wofür schämt ihr euch? Wie toll ist denn eure kleine Beziehung, wenn ihr so tun müsst, als ob es sie gar nicht gibt?«
Oh. Ooooohhhhhh. Peter wusste nichts von meinem Zen-Theater. Er glaubte nur, dass Woody und ich ein Paar waren. »Wir sind Freunde, Peter, okay? Schon mal davon gehört? Das ist, wenn zwei Leute einfach nur gern zusammen sind. Und was geht dich das überhaupt an? Warum hasst du deine Schwester eigentlich so?«
Jetzt sah Peter wütend aus. »Ich soll sie hassen? Hassen? Ich liebe sie, San. Wir leben seit vier Jahren im selben Haus und davor waren wir befreundet. Wieso
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