Buddha-Boy
Eliot, hat mal gesagt, April ist der grausamste Monat.«
Wow, meine Mutter hatte einen Lieblingsdichter! Wer hätte das gedacht?
Woody riss mich mit ihrer üblichen sanften MorgenbegrüÃung in die Gegenwart zurück: »San, du kannst dir nicht vorstellen, was für ein schreckliches Fiasko meine Nacht war! Ich hasse die ganze Welt. Echt!«
So viel zu meiner Beichte. »Was ist los, Woody?«
»Erstens: Peters Finger ist gebrochen, deshalb kriegt er heute einen Riesengips verpasst. Weshalb er nächste Woche nicht mit der Unimannschaft spielen kann. Er ist richtig sauer und gibt dir die Schuld dafür.«
»Er hasst mich doch sowieso, also mach dir deswegen keine Sorgen.«
»San, ich glaube, er möchte sich mit dir prügeln!«
»Mit seinem gebrochenen Finger?«
»Ich weià nicht, aber er ist ziemlich wütend. Und ich hab Angst, dass du ihn verletzt.«
Ich wollte schon Einspruch erheben, so in der Art: Hallo? Ist dir schon aufgefallen, wie groà dein Bruder ist? Aber Woody war noch nicht fertig. »San, bitte versprich mir, dass du ihn nicht verletzt.«
Wofür hielt sie mich? Einen kämpfenden Samurai? Wirkte ich etwa tough? Ich schwöre, ich habe schon Gummienten gesehen, die bedrohlicher aussahen als ich. AuÃerdem waren die Samurai Japaner. »Okay, Woody. Ich versprech dir, wenn es zum Kampf kommt, werde ich ihn nicht zu sehr verletzen.«
Sie war offenbar tatsächlich erleichtert, dass ich meinen Kopf nicht benutzen würde, um auf die kostbaren schinkengroÃen Fäustchen ihres Stiefbruders einzuprügeln. Aber sie war mit ihrer Problemliste nicht am Ende. »Da ist noch was, San.«
»Ich höre.«
»Als wir gestern nach Hause kamen, lag die Post da.«
Woody schwieg und verzog das Gesicht. Sie versuchte mehrmals, weiterzureden, aber ich konnte sie nicht verstehen, weil sie so schluchzte. Ich legte den Arm um sie und sie weinte in mein Hemd. Ein merkwürdiges Gefühl.
Als ihre Stimme endlich wieder funktionierte, sagte sie: »Das Päckchen ist zurückgekommen, San. Es war ein groÃer roter Stempel drauf: Zurück an den Absender, Empfänger unbekannt. Sie ist umgezogen. Sie ist umgezogen, ohne uns Bescheid zu geben. Sie ist wirklich â¦Â« Ihre Stimme zerbröselte wieder, aber sie schluckte ein paarmal und fasste sich. »Sie ist wirklich weg.«
Ich hielt Woody einfach nur fest und strich ihr über die Haare, denn was kann man sagen, um das besser zu machen?
»Ich wusste schon, dass sie nicht zurückkommen würde. Ich wusste , dass sie mich nicht mehr lieb hat. Aber ich habe trotzdem geglaubt â¦Â« Ich spürte, wie sich ihr Körper an meinem versteifte. Ich zog den Kopf zurück und sah, dass sie jetzt böse schaute. »Ich war eine Idiotin, San! Ich war so blöd! Aber ich sag dir eins: Niemand macht mir noch mal was vor!«
Super.
»Und noch was: Solange ich lebe, werde ich keinen verdammten Woody-Guthrie-Song mehr spielen! Nie mehr!«
»Aber du hast doch so schwer gearbeitet, um sie alle zu lernen.«
»Für sie !« Woody war so wütend, dass ich spüren konnte, wie sie zitterte, als sie das Wort âºsieâ¹ aussprach â ein heimlicher Vorgeschmack auf meine Zukunft.
»Aber auch für dich selber. WeiÃt du, ich hab sogar über dich und deine Mutter einen Aufsatz geschrieben.«
»Du hast was ?«
»Ich hab über dich geschrieben. Die Sache mit dem Mittelweg kennst du doch, stimmtâs?«
»Ja.«
»Ich seh das nämlich so: Als du nur Songs gespielt hast, die deiner Mutter gefielen, hast du zugelassen, dass sie Macht über dich hat.«
Sie stampfte mit dem Fuà auf und fauchte: »Ich weiÃ! Deshalb bin ich mit den Songs ja auch fertig.«
»Dann hat sie immer noch Macht über dich.«
»Wovon redest du? Von jetzt an tu ich genau das Gegenteil von dem, was ihr gefallen würde.«
»Richtig. Und das bedeutet, dass sie immer noch Macht auf dich ausübt. Solange es alles oder nichts ist, bestimmt deine Mutter immer noch, wofür du dich entscheidest. Und wer sagt, dass du nur eines sein kannst?«
»Und was soll ich tun? Halb Woody Guthrie und halb My Chemical Romance spielen? Wie nennt man so was â Hobo-Emo oder Folk-core?«
»Ich kann dir nicht sagen, was du spielen sollst oder wie man das nennt.«
»Was spiele ich also?«
Ich sah sie an. Sie sah
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