Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
Vom Netzwerk:
ein Lebewesen von Fleisch und Blut mochte man nicht glauben, eher an einen ausgestopften und elektrifizierten Matrosen im Kaschmirkittel.
    Wolodin dagegen hatte sich nicht sonderlich verändert. Höchstens hatte ein unsichtbarer Meißel die Kanten und Unebenheiten seiner materiellen Hülle geglättet und durchgehend weiche, geschwungene, ineinanderfließende Linien geschaffen. Sein Gesicht war noch etwas blasser geworden, in den Brillengläsern blitzten mehr Funken auf, als das Feuer zaubern konnte. Auch seine Bewegungen hatten an Eleganz und Zielstrebigkeit gewonnen – mit einem Wort, man sah, daß dieser Mensch nicht zum erstenmal Pilze aß.
    »Och, Mann«, platzte Schurik in die Stille, »och, Mannomann! Kolja, wie geht's dir?«
    »Geht so«, sagte Kolja, ohne die verklebten Augen zu öffnen, »ich seh irgendwelche Feuerchen.«
    Schurik fuhr zu Wolodin herum. Seine ruckartige Bewegung schlug Wellen im Äther, die erst verebben mußten, bevor er sprechen konnte:
    »Du, Wolodin … Du wirst es doch wissen, wie man sich den ewigen Kick verschafft, oder?«
    Wolodin sagte nichts.
    »Ich hab schon verstanden, also, ich meine, wieso niemand davon weiß und keiner darüber reden darf«, fuhr Schurik fort. »Aber mir kannst du's doch sagen, he? Ich bin doch keiner von diesen Freaks. Ich tät mit dem Kick still in meiner Laube sitzen, und fertig.«
    »Vergiß es«, sagte Wolodin.
    »Ja, Himmel noch mal, hast du wirklich gar kein Vertrauen zu mir? Glaubst du, da gäb's Probleme?«
    »Nein, nein«, sagte Wolodin, »das glaub ich nicht. Nur käm bestimmt nichts Gutes bei raus.«
    »Ach, komm«, sagte Schurik. »Mach halblang!«
    Wolodin nahm die Brille ab, wischte sorgfältig mit dem Hemdzipfel die Gläser und setzte sie wieder auf.
    »Entweder man steigt dahinter oder nicht«, verkündete er. »Ich weiß nicht, wie ich's erklären soll … O. k. Du erinnerst dich, daß wir mal vom inneren Staatsanwalt gesprochen haben?«
    »Ja. Der einen für die Ewigkeit einbuchten kann. Wie den Raskolnikow, der die Alte um die Ecke gebracht hat. Er dachte, sein innerer Verteidiger haut ihn raus, war aber nicht.«
    »Exakt. Was meinst du, wer dieser innere Staatsanwalt eigentlich ist?«
    Schurik überlegte.
    »Weiß nicht … Wahrscheinlich bin ich's selber. Irgendein Teil von mir. Wer soll's sonst sein.«
    »Und der Verteidiger, der dich da raushaut?«
    »Bestimmt auch ich. Was natürlich irgendwie komisch ist – daß ich mir selber die Anklage bastle und mich anschließend raushaue.«
    »Das ist nicht komisch. Das ist der Lauf der Dinge. Jetzt stell dir vor, dieser innere Staatsanwalt hat dich vor Gericht gezerrt, alle deine inneren Anwälte sind verarscht worden, und du bist in dein eignes Kittchen eingefahren. Und da gibt es nun, mal angenommen, noch 'nen vierten Mann: Der ist nicht der Staatsanwalt, nicht der, dem er ans Leder will, und nicht der Verteidiger. Einer, der überhaupt nie irgendwelchen Geschäften nachgeht – kein schwerer Junge und kein Drahtzieher und kein Bulle und kein Nix.«
    »Bin im Bild.«
    »Dieser vierte hat den ewigen Kick. Und der muß ihn nicht erst erklärt kriegen, verstehst du?«
    »Wer ist denn dieser vierte Mann?«
    »Niemand.«
    »Aber sehen kann man ihn doch?«
    »Nein.«
    »Oder wenigstens fühlen, daß er da ist?«
    »Auch nicht.«
    »Also gibt's ihn in Wirklichkeit gar nicht?«
    »In Wirklichkeit, wenn du's genau wissen willst«, sagte Wolodin, »gibt's die Anwälte nicht. Und dich selber auch nicht. Wenn's in Wirklichkeit überhaupt wen gibt, dann ihn.«
    »Tut mir leid, da komm ich nicht mit. Erzähl mir lieber, was ich tun muß, daß ich den ewigen Kick kriege.«
    »Nichts«, sagte Wolodin. »Tun mußt du gar nichts, das ist es ja. Kaum fängst du an, was zu unternehmen, schon ist die Kiste verfahren. So ist es doch, oder?«
    »Kann man so sagen.«
    »Siehst du. Und was ein Verfahren ist, weiß man ja: Anklage, Verteidigung, Pipapo.«
    Schurik blieb nun stumm und rührte sich nicht mehr; seine ganze Bewegungsenergie schien auf Kolja übergesprungen, der urplötzlich wie aus einem Tiefschlaf erwachte, die Augen aufschlug, Wolodin einen langen, grimmigen Blick zuwarf und die Zähne fletschte. Eine Palladiumkrone blitzte.
    »Was den inneren Staatsanwalt angeht, da hast du uns sowieso kräftig angeschissen, Wolodin«, sagte er.
    »Wieso denn?« fragte Wolodin verwundert zurück.
    »Wieso, wieso. Wowtschik, der Abgehackte, hat mir hinterher ein Buch gegeben, wo das alles breitgetreten war. Und

Weitere Kostenlose Bücher