Buddhas kleiner Finger
du einem immer alles vermasseln mußt. Letztens hab ich mir ein Video reingezogen, ›Pulp fiction‹, über die amerikanischen Gangs. Da ging's mir hinterher richtig gut! Mir war, als hätt ich begriffen, wie man leben muß. Mit dir braucht man bloß 'ne Weile zu reden, schon fällt man ins schwarze Loch. Ich will dir mal was sagen: Deinen inneren Bullen bin ich noch kein einziges Mal begegnet. Und falls es dazu kommt, hau ich die entweder um, oder ich markier den dummen August.«
»Wozu denn umhauen?« ließ Schurik sich wieder einmal hören. »War doch viel einfacher, die zu bestechen!«
»Sag bloß, die machen da mit?« erkundigte sich Kolja.
»Aber ja doch. Hast du den ›Paten III‹ gesehen? Dieser Don Corleone, weißt du nicht mehr? Seine inneren Bullen zu beschwichtigen, hat er sechshundert Mille an den Vatikan überwiesen und ist mitsamt dem Dreck am Stecken im inneren Geheimquartier untergetaucht. Oder willst du behaupten, die inneren Bullen wären nicht korrupt?« wandte er sich an Wolodin.
»Korrupt oder nicht, das tut nichts zur Sache«, erwiderte der.
»Stimmt, darum ging's gar nicht. Kolja hat angefangen mit Bullenverdreschen und so. Worum ging's denn? Gleich fällt's mir wieder ein. Es ging um den ewigen Kick. Jawohl. Da war was mit 'nem vierten Mann, der permanent drauf ist, während unsereiner sich mit den inneren Links- und Rechtsanwälten rum schlägt, stimmt's?«
»So ist es. Die Frage ist nicht, wie du dich mit den inneren Bullen einigst: ob du ihnen eins drüberziehst oder sie schmierst oder mit 'nem Geständnis antanzt. Der Bulle und der, der ihn anzapft, und der reuige Sünder, die existieren ja alle nicht wirklich, soweit waren wir schon. Du bist derjenige, der abwechselnd mal den einen und mal den anderen markiert. Das hattest du geschnallt, denk ich.«
»Ehrlich gesagt, nicht ganz.«
»Dann erinnere dich mal, wie ihr vorm Kaufhaus am Roten Platz gearbeitet habt, Kolja und du, bevor die Demokratie kam. Er hat Devisen verkauft, und du bist mit gefälschtem Polizeiausweis hingegangen und hast die beiden hochgenommen, weißt du nicht mehr? Wenn man nicht vorübergehend selber dran glaubt, daß man 'n Bulle ist, glaubt's der Kunde auch nicht und sträubt sich, hast du damals gesagt. Also hast du dich als Bulle gefühlt, stimmt's?«
»Klar doch.«
»Vielleicht warst du ja wirklich einer?«
»Wolodin, ich bitte dich«, sagte Schurik, »wir sind Freunde, aber überleg dir trotzdem, was du sagst.«
»Das tue ich, keine Bange, hör nur zu. Begreifst du die Situation? Man kann selber für 'ne Weile glauben, Bulle zu sein. Und jetzt stell dir mal vor, das wär dein Job fürs Leben – nur daß es keine fremde Kundschaft ist, die du anschmierst, du bist es selber und merkst es nicht. Mal bist du der Bulle und mal der Angeschmierte. Mal der Kläger, mal der Anwalt. Was glaubst du, weshalb ich sage, daß es die beiden in Wirklichkeit nicht gibt? Weil, wenn du grad Staatsanwalt bist, gibt es keinen Verteidiger. Und wenn du Verteidiger spielst, ist der Staatsanwalt weg. Einfach nicht da. So daß man meint, man hätte ihn bloß geträumt, verstehst du?«
»Hm.«
»Außer diesen Bullen gibt's da noch 'ne Latte anderer Typen, die alle mal an die Reihe kommen wollen: Arschkriecher, Schwanzlutscher, Spitzel, und und und. Bis du die alle durch hast, ist das Leben vorbei. Die stehen bei dir drinnen Schlange, das gab's nicht mal unter den Kommunisten am Wurststand. Und wenn du den ewigen Kick abkriegen willst, mußt du als erstes diese Schlange auseinandertreiben. Sich in keinen von denen reinversetzen, basta. Das ganze Anwaltspack in die Wüste schicken.«
»Und wie stellt man das an?«
»Ich sagte doch: Man stellt nicht an. Etwas anzustellen heißt, entweder Staatsanwalt oder Verteidiger zu sein. Alle fünfe grade sein lassen, das ist es.«
Schurik versank ins Grübeln.
»Scheiß drauf«, sagte er schließlich. »Da nehm ich doch lieber fünf Gramm Kokain, ehe ich überschnappe. Vielleicht verfängt der ewige Kick bei mir gar nicht. Gegen Hasch bin ich ja auch immun.«
»Siehst du, darum weiß keiner was vom ewigen Kick«, sagte Wolodin. »Genau deswegen.«
Wieder trat Stille ein – diesmal für lange. Wolodin fing an, Äste zu zerbrechen und ins Feuer zu werfen. Schurik zog einen metallenen Flachmann aus der Tasche, in den die Silhouette der Freiheitsstatue eingeprägt war, tat ein paar große Schlucke und reichte ihn an Kolja weiter. Der trank seinen Teil, gab Schurik die Flasche zurück
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