Buddhas kleiner Finger
lebensnah, wie sich's gehört. Nietzsche heißt der Typ, der's geschrieben hat. Alles in so verrenkten Formulierungen, daß kein normaler Mensch dahintersteigt, aber clever. Wowtschik hat extra so einen Hungerleider angeheuert, einen Professor, und dazu einen von unseren Knaben, der Zaches redet. Zu zweit haben sie's in einem Monat so hingekrempelt, daß es Hand und Fuß hatte, und der ganze Klub hat's lesen gekonnt. In normale Sprache übersetzt. Jedenfalls, es läuft drauf hinaus, daß man den inneren Bullen schlachten muß. Dann kommt keiner mehr und will was von dir, verstehst du?«
»Mensch, Kolja, was redest du da?« Wolodins Stimme klang sanft und fast ein bißchen mitleidig. »Weißt du, wieviel sie dir für 'nen Bullen aufbrummen?«
Kolja lachte höhnisch.
»Wer soll das denn tun? Vielleicht die inneren Oberbullen? Darum geht's ja, die schlachten wir hübsch alle nacheinander!«
»Na schön«, sagte Wolodin, »nehmen wir an, die inneren Bullen hast du erledigt. Dann übernimmt die innere Eingreiftruppe.«
»Red ruhig weiter, die Tour kenn ich aus dem Effeff. Erst kommt die innere Stasi, dann die Elitetruppe ›Alpha‹, dann ›Omon‹ und so weiter und so fort. Und ich sag dir: Die werden geschlachtet, und am Ende bist du dein eigner innerer Präsident.«
»Wenn du meinst«, sagte Wolodin. »Dann bist du also dein eigner innerer Präsident. Und plötzlich kommen dir irgendwelche Zweifel. Was machst du dann?«
»Kein Problem«, sagte Kolja. »Wegdrücken und weitermachen.«
»Aber zum Wegdrücken brauchst du doch deine inneren Bullen, oder etwa nicht? Und wenn's hart kommt, die innere Eingreiftruppe?«
»Aber das sind ja dann meine Leute. Ich bin ihr vorgesetzter innerer Präsident. Muß ich nur mit dem Finger schnipsen.«
»Gut hat dich dein kleiner Wowtschik instruiert, alle Achtung. Also, wir waren beim inneren Präsidenten, der bist du. Da hast du deine eignen Bullen an der Hand und noch dazu einen Riiiiesensicherheitsdienst, inklusive tibetanische Astrologen und so weiter …«
»Na, genau. Da traut sich keiner mehr in die Nähe.«
»Und, was machst du dann so den lieben langen Tag?«
»Was ich will.«
»Zum Beispiel?«
»Na, zum Beispiel krall' ich mir 'ne Schickse und düs' mit ihr auf die Kanaren.«
»Und was machst du dort?«
»Ich mach, was mir grad einfällt. Baden gehen oder vögeln oder koksen – was ich will.«
»Aha«, sagte Wolodin, und in seinen Brillengläsern blitzte es feuerrot, »koksen also auch. Da kommt man auf schöne Gedanken, nicht wahr?«
»Aber hallo.«
»Und so als sein eigner Präsident, da muß man doch bestimmt irgendwelche staatstragenden Meinungen vertreten?«
»Vermutlich.«
»Dann will ich dir mal sagen, was passiert. Beim erstenmal Koksen haut es dir so rein, daß du deinem inneren Präsidenten vor lauter schöner Gedanken die Freundschaft kündigst. Impeachment nennt sich das.«
»Das kratzt mich gar nicht. Da fahr ich die inneren Panzer auf.«
»Gegen wen denn? Gegen dich selber? Vergiß nicht, du hast gegen deinen inneren Präsidenten geputscht. Wer also fährt die Panzer auf?«
Kolja schwieg.
»Im Nu haben wir einen neuen Präsidenten«, führte Wolodin aus. »Was das Innenministerium mit dem alten anstellt, damit er dem neuen in den Arsch kriecht, das wollen wir uns mal lieber nicht ausmalen.«
Kolja dachte nach.
»Na und«, sagte er unschlüssig. »Haben wir halt einen neuen Präsidenten.«
»Aber du warst der vorige, nicht wahr? Wem also schlagen sie in der inneren Lubjanka mit dem Schlauch die Nieren kaputt? Willst du nicht sagen, wem? Dir natürlich. Überleg mal, was besser ist: sich von den inneren Bullen wegen 'ner gekillten Oma abführen zu lassen oder als Ex-Präsident in die Fänge der inneren Stasi zu geraten?«
Koljas Gesicht verdüsterte sich, er drehte und spreizte die Finger der ausgestreckten Hand, schien damit etwas sagen zu wollen, doch irgendein unangenehmer Gedanke kam ihm offenbar in die Quere, plötzlich ließ er den Kopf hängen.
»Shit … Ist wahrscheinlich wirklich besser, sich da nicht reinzuhängen. Alles nicht so einfach …«
»Da haben dich deine inneren Bullen ganz schön reingeritten«, stellte Wolodin fest. »Und du kommst mir mit Nietzsche. Nietzsche! Wenn du wüßtest, wie's dem ergangen ist!«
Kolja räusperte sich den Hals frei. Ein Fladen Rotz riß sich wie ein winziger Bullterrier von seinen Lippen los und klatschte ins Feuer.
»Wolodin, du bist ein verdammtes Ekel«, stellte er fest. »Daß
Weitere Kostenlose Bücher