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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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wie's damals war. Alle wußten, im Kreml brennt noch Licht, und da sitzt Er. Und er liebt dich wie einen leiblichen Sohn, du hast einen Heidenschiß vor ihm und sollst ihn trotzdem von Herzen zurücklieben. Genau wie in der Religion. Das war's, weshalb ich gleich an Stalin denken mußte. Wie geht das zusammen, hab ich gedacht: Heidenschiß und heiße Liebe.«
    »Und wenn die liebe Seele keinen Schiß hat?« fragte Schurik.
    »Dann fehlt ihr die Gottesfurcht. Dafür gibt's die Dunkelkammer.«
    »Was denn für 'ne Dunkelkammer?«
    »Was genau für eine, darüber stand da wenig. Heulen und Zähneklappern, darum ging's im wesentlichen. Wie ich das gelesen hab, hatte ich 'ne halbe Stunde zu tun, mir vorzustellen, was die Seele für Zähne hat, davon ist mir beinahe das Blech weggeflogen. Aber dann hab ich doch weitergelesen. Begriffen hab ich es so, daß, wenn du beizeiten lernst, dich als ein Stück Scheiße zu sehen, und sagst es nicht nur, sondern meinst es auch so, dann hast du die besten Chancen, Amnestie zu kriegen, und darfst zu ihm ins Paradies. Die größte Wonne scheint dort zu sein, dem Paten zuzugucken, wie er auf der Tribüne die Parade abnimmt. Mehr wollen die gar nicht, und mehr findet auch nicht statt: Pate gucken vor der Tribüne oder Zähne klappern vorm Tor. Und die Hauptsache, Mann, die Hauptsache ist, daß es nur ein Entweder-Oder gibt: entweder rauf auf die oberste Pritsche, oder ab in die Dunkelzelle. Mit einem Wort: die ganze große Knastmaschine, wie man sie kennt. Ich hab nur nicht rausgekriegt, wer sich das alles so schlau ausgedacht hat. Hast du 'ne Ahnung, Wolodin?«
    »Kannst du dich an Globus entsinnen?« fragte Wolodin zurück.
    »Der zuletzt Banker war? Aber klar!« erwiderte Kolja.
    »Kenn ich auch noch«, sagte Schurik, der gerade wieder von der entfesselnden Flüssigkeit in seiner Reliefflasche nippte. »Der hat's doch kurz vor seinem Ende noch zu was gebracht. Hat 'nen Porsche gefahren und ist mit Goldkettchen rumgelaufen, fünf Mille das Stück. Den haben sie sogar im Fernsehen gezeigt, als Sponsor und sonstwas, kriegst die Motten.«
    »Tja«, meinte Wolodin. »Wie der nach Paris gefahren ist wegen 'nem Kredit, weißt du, was er da gemacht hat? Er ist mit dem Banker von den Franzosen ins Restaurant gegangen, mal in Ruhe reden, unter Männern. Hat sich besoffen wie zu Hause im ›Slawischen Eck‹ und brüllt auf einmal: ›Herr Ober, zwei Stricher und 'nen Eimer dicken schwarzen Tee!‹ Der war nicht etwa schwul, der war's bloß so gewöhnt aus dem Lager …«
    »Mußt du mir nicht erklären. Wie weiter?«
    »Ganz normal. Sie haben's ihm gebracht, beides. Freie Marktwirtschaft.«
    »Und den Kredit hat er gekriegt?«
    »Ist doch egal. Man muß sich das mal überlegen: Wenn er bis ans Ende seiner Tage in solchen Welten gelebt hat, dann hat er das Lager eigentlich nie verlassen. Er hat's allenfalls geschafft, daß er sozusagen mit dem Porsche im Lager rumfahren und Interviews geben durfte, und zu guter Letzt hat er dort auch noch sein Paris gefunden. Was meinst du, wenn dieser Globus mit seinem schwarzen Tee und seinen Pupjungen sich das Jenseits ausgemalt hätte, was da rausgekommen wäre?«
    »Auf die Idee wird er gar nicht gekommen sein.«
    »Gesetzt den Fall, er wäre. Wenn er außer dem Lager nichts kennt und strebt doch wie jeder Mensch nach Höherem, nach dem Licht, was tät er sich drunter vorstellen?«
    »Mir ist nicht klar, wo du drauf rauswillst. Was für höheres Licht? Budenzauber mit Lightshow? Höheres Licht hat den garantiert überhaupt nicht gelockt. Die Lampe auf dem Wachturm war immer an.«
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte Schurik. »Hätte Globus sich ein Bild vom Jenseits gemacht, dann wär er exakt auf das gekommen, was in Koljas Broschüre steht. Und jeder andere auch. Kolja, überleg doch mal, unser Land ist immer ein großer GULAG gewesen, und das wird so bleiben. Und der liebe Gott sieht dementsprechend aus, mit Suchscheinwerfern und Rundumleuchte. Wer glaubt hierzulande an einen anderen?«
    »Was willst du, gefällt dir unser Land etwa nicht?« fragte Kolja streng.
    »Doch, doch, wieso nicht. Stellenweise ganz hübsch.«
    Kolja wandte sich Wolodin zu.
    »Nun sag doch mal, hat der Globus damals in Paris den Kredit gekriegt oder nicht?«
    »Ich denke schon. Dem Banker hat das alles sehr gefallen. Mit den Homos hatten die's ja schon immer, aber den Teesud hat er zum erstenmal probiert. Das ist dort hinterher richtig in Mode gekommen: ›thé à la russe

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