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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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wie.«
    »Tja. Wahrscheinlich muß man es einfach wollen.«
    »Wenn du dir ein Bein ausreißt, vierter Mann zu werden, wird's nie was. Du bleibst immer der, der sich ein Bein ausreißt. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Staatsanwalt wirst du auch nicht davon, daß du's werden willst, sondern weil du dir im stillen sagst: ›Mann, Schurik, was bist du bloß für'n Stück Scheiße.‹ So merkt dein innerer Verteidiger, daß er eben noch Staatsanwalt war.«
    »O. k. Dann sag mir, wie man vierter Mann wird, wenn man's nicht will.«
    »Wollen oder nicht wollen, darum geht's nicht. Wenn du was erreichen willst, bist du jedenfalls am längsten vierter Mann gewesen. Der vierte Mann will nicht. Wozu soll er was wollen, wenn er doch den ewigen Kick hat.«
    »Sag mal, wieso redest du immerzu um den heißen Brei? Kannst du nicht normal und ohne Zickerei sagen, was es mit dem vierten Mann auf sich hat?«
    »Sagen kann ich alles mögliche. Das bringt's nicht.«
    »Probier's trotzdem.«
    »Ich könnte zum Beispiel sagen, es ist der Sohn Gottes.«
    Die letzten Worte waren noch nicht verhallt, da hörten die am Feuer sitzenden Männer plötzlich von allen Seiten die Hähne krähen. Ein durchaus sonderbarer Umstand, wenn man bedenkt, daß in der Gegend schon lange keine Hühner mehr gehalten wurden, schon seit dem XX. Parteitag nicht mehr. Trotzdem wurden die Hähne nicht müde zu krähen, und ihr altmodisches Krakeelen ließ an nichts Gutes denken, höchstens an Hexerei und Teufelsspuk oder auch an Dudajews gegen Moskau reitende Kavalleriegeschwader, die mit gefällten ›Stingers‹ die Steppe durchquerten und mit schreienden Hähnen, um die feindliche Aufklärung auf eine falsche Fährte zu locken. Letztere Befürchtung wurde durch den Umstand erhärtet, daß immer drei dieser Schreie gleichzeitig ertönten, woraufhin jedesmal eine kurze Pause eintrat. Das war mysteriös, höchst mysteriös. Eine Zeitlang lauschten alle wie gebannt dieser vergessenen Musik, bis sie verklungen oder aber so mit dem übrigen Geräuschteppich verschmolzen war, daß man nicht mehr darauf achtgab. Was man nicht alles hört auf so einem Pilztrip! dürften die Männer am Feuer gedacht haben. Das Gespräch kam wieder in Gang.
    »Du verklebst mir alle Hirnwindungen mit deinem Geschwafel«, sagte Schurik. »Kannst du nicht klipp und klar sagen, wie man's wird?«
    »Wie oft soll ich dir das denn noch erklären? Wenn's so einfach wäre, hätten sich längst alle den Spaß gemacht. Es gibt nur einen einzigen Weg: Um vierter Mann zu werden, darf man kein anderer mehr sein.«
    »Keine neuen Legenden mehr?«
    »Keine neuen und keine alten. Man darf keiner werden und keiner sein, verstehst du. Wenn du das hinkriegst, geht's los. Du kommst kaum dazu, boah! zu sagen, schon bist du drauf und bleibst es.«
    »Boah!« sagte Kolja leise. Schurik schielte zu ihm hinüber. Wie versteinert saß er da, der Mund ein dreieckiges Loch, die Augen scheinbar nach innen gekehrt.
    »Na, der dreht dir vielleicht ab«, sagte Schurik. »Gleich fliegt ihm das Blech weg.«
    »Das macht nichts«, sagte Wolodin zärtlich. »Braucht doch eh keiner mehr.«
    »He, das würd ich nicht sagen«, sagte Schurik. »Wenn uns erst mal das Blech wegfliegt, hältst du deins auch nicht mehr fest.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Na, was denkst du, wer dir das Blech hält? Kolja und ich, wer sonst! Stimmt's, Kolja?«
    Kolja gab keine Antwort.
    »He! Kolja!«
    Kolja reagierte nicht. Mit steifem Rücken und starrem Blick saß er am Feuer. Der Blick ging durch Schurik und Wolodin glatt hindurch auf etwas zu, das im Nirgendwo lag. Das eigentlich Interessante aber war, daß über seinem Kopf eine senkrechte Lichtsäule stand, die bis in den Himmel hinaufging.
    Anfangs erschien die Säule fadendünn; kaum aber war sie den beiden Männern aufgefallen, nahm sie an Umfang zu und wurde immer greller, ohne die Umgebung im geringsten zu erhellen. Nach kurzer Zeit war sie so dick wie Koljas Kopf, dann geriet das ganze Feuer mitsamt den vier Männern hinein, und schließlich war da nur Licht und nichts sonst.
    »Holla!« kam Schuriks Stimme von allen Seiten geflogen.
    Seiten waren zu diesem Zeitpunkt genaugenommen nicht mehr zu unterscheiden, Stimmen ebensowenig, sagen wir es so: Man spürte eine sich auf andere Weise artikulierende Präsenz, die erkennen ließ, daß Schurik dahintersteckte. Und dieser Äußerung entsprach sinngemäß, was das Wort »holla« aus drückt.
    »Holladibolla! Wolodin, hörst du

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