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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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mich?«
    »Ich höre«, antwortete Wolodin von überall her.
    »Ist das der ewige Kick?«
    »Was fragst du mich das? Sieh selber hin. Du siehst und weißt alles.«
    »Ja. Aber das ganze Drumrum, was ist das? Ah ja, freilich. Wo ist denn das andere alles hin?«
    »Nirgendwohin. Alles an Ort und Stelle. Mach die Augen auf!«
    »Ach so. Kolja, wo bist du? Wie geht's dir?«
    »Ich!« tönte es aus dem schillernden Nichts. »Ich!«
    »He, Kolja! Sag was!!«
    »Ich!!! Ich!!!«
    »Mensch, wie sich das alles in Wirklichkeit anfühlt, was? Wer hätte das gedacht?« Schurik, erregt und glücklich, redete drauflos. »Nie hätte ich das gedacht, hörst du, Wolodin? Du mußt nichts sagen, ich versteh auch so. Wer hätte das gedacht! Gleich sag ich dir was. So was läßt sich gar nicht ausdenken! Das denkt man nicht, das denkt man nicht!«
    »Ich!!!« gab Kolja von sich.
    »Und siehe da, die Welt ist gar nicht so schrecklich«, fuhr Schurik fort. »Kein Stück! Ich weiß alles, ich seh alles. Ich sehe was, was du nicht siehst. Was du sehen willst, kann ich verstehen. Und wenn es … Eieiei. So was! Kolja, hörst du, den Schieler haben wir damals ganz für umsonst umgehauen! Der hat die Knete in Wirklichkeit gar nicht genommen. Das war … Ach. Das warst ja du, Kolja!«
    »Ich!!! Ich!!! Ich!!! Ich!!!«
    »Hör auf zu schwätzen!« mischte Wolodin sich ein. »Sonst furzt der uns noch allen ins Hemd.«
    »Hat er doch schon! Der Hund!« brüllte Schurik.
    »Hör auf, sag ich! Das paßt nicht hierher. Guck dich lieber selber an.«
    »Wen noch mal?«
    »Dich. Den, der in einem fort Stuß redet. Den guck dir an.«
    »Den? Als wie mich? Ach, du liebes … Ojojoi!«
    »Da siehst du mal. Die Welt ist nicht schrecklich, sagst du?«
    »Ja. Ist doch wahr. O Schei… Wolodin, weißt du was? Sie ist eigentlich doch ziemlich schrecklich. Und wie! Wolodin, wo ist denn das ganze Licht hin? Wolodin? Wie schrecklich!«
    »Die Welt ist gar nicht schrecklich, haha«, sagte Wolodin hob den Kopf und starrte mit geweiteten Augen ins Leere, so als gäbe es dort etwas zu sehen.
    »Na gut«, sagte er mit veränderter Stimme und rüttelte die beiden anderen. »Wir verduften. Schnell!«
    »Wolodin! Ich kann dich fast nicht hören«, jammerte Schurik und wiegte sich von einer Seite zur anderen. »Ganz schrecklich, Wolodin! He, Kolja! Kolja, sag was!«
    »Ich. Ich. Ich.«
    »He, Kolja! Kannst du mich sehen? Guck dich bloß nicht an, sonst wird's finster. Kannst du mich sehen?«
    »Ich? Ich?«
    »Los, in den Wald! Hurtig!« befahl Wolodin wieder und sprang auf.
    »Welchen Wald? Es gibt doch gar keinen Wald.«
    »Lauf nur, dann kommt der Wald von alleine. Mach hin! Du auch, Kolja, hopp, hopp! Die Karawane zieht weiter.«
    »Ich? Ich? Ich?«
    »Ich und du, Blindekuh. In den Wald, sag ich! Wir brennen sonst an!«
     
    Selbst wenn man der Vermutung erlegen gewesen war, daß das Lagerfeuer, das noch vor Stunden auf dieser Wiese gebrannt hatte, ein kleiner Kosmos für sich gewesen wäre – jetzt hatte dieser Kosmos seine Existenz aufgegeben, und all die Leiden seiner Bewohner waren mit ihm erloschen. Die Wiese war dunkel, von der kalten Holzkohle ging nur noch ein schwacher Brandgeruch aus.
    Im Jeep klingelte das Funktelefon, worauf ein kleines Federvieh im Gebüsch nebenan erschrocken davonraschelte. Das Telefon klingelte lange, und erst beim ungefähr zwanzigstenmal wurde seine Penetranz belohnt. Im nahen Wald knackten Äste, Schritte näherten sich rasch, ein vager Schatten wischte durch das Gras hin zum Auto, und endlich tönte eine Stimme:
    »Hallo! Aktiengesellschaft Ultima Thule! Klar weiß ich das. Schon lange. Ja! Ja! Nein! Sag Serjosha Mongoli, er soll mich bloß nicht reizen. Keine Überweisungen. Cash und ohne MWS, und den Vertrag kann er sich in den Arsch … Morgen um zehn im Büro. Nein, nicht um zehn, um zwölf. Mein letztes Wort.«
    Es war Wolodin. Nachdem er eingehängt hatte, klappte er den Kofferraum auf, wühlte einen Kanister hervor und schwappte etwas Flüssigkeit daraus auf die Feuerstelle. Nichts geschah – die Glut schien restlos erloschen zu sein. Wolodin rieb ein Streichholz an und warf es hin, worauf sich ein greller rotgoldner Feuerball erhob.
    Wolodin stellte den Kanister zurück in den Kofferraum, suchte einige Minuten lang trockenes Geäst auf der Wiese zusammen und warf es ins Feuer, so daß es bereits wieder ordentlich brannte und Funken warf, als Schurik und Kolja aus dem Wald geschlendert kamen.
    Sie kamen einer nach dem anderen.

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