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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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ein und aus, oder was? Wie du grad lustig bist?«
    »Nein. Ich … Wie soll ich das erklären. Für mich ist da kein einfaches Reinkommen. Ich hab mir zu viel geistige Werte im Leben aufgelesen. Die wieder loszuwerden ist schwieriger, als Hundescheiße aus 'ner Reliefsohle zu kratzen. Also schick ich in der Regel einen Minderbemittelten vor, daß er sozusagen durchs Schlüsselloch schlüpft und die Tür von innen aufsperrt. So wie vorhin. Wer konnte ahnen, daß man, wenn gleich zwei Schwachköpfe zusammenkommen, vor lauter Dämlichkeit anbrennen kann.«
    »Was meinst du mit anbrennen?«
    Wolodin antwortete nicht – er hatte mit einem besonders schwierigen Straßenabschnitt zu kämpfen. Der Wagen rüttelte heftig, einmal und noch einmal. Der Motor jaulte auf, es ging steil hinauf, dann um eine Kurve, schließlich waren sie auf Asphalt und gewannen rasch an Tempo. Ein paar alte Shiguli kamen ihnen entgegen, eine Kolonne von Militärlastern folgte. Wolodin stellte das Radio an, und bald darauf hatte die alte, vertraute und bis in alle Einzelheiten durchschaubare Welt die vier Männer im Auto wieder.
    »Wie denn anbrennen?« wiederholte Schurik seine Frage.
    »Laß mal«, sagte Wolodin, »das bereden wir später. Das kriegst du als Hausaufgabe auf. Wir sollten lieber überlegen, wie wir den Typen von Slav-East Oil entkommen.«
    »Dann überleg mal«, sagte Schurik. »Du bist der Kopf. Wir halten dir bloß das Blech.«
    Eine Weile sagte er nichts, und dann:
    »Wenn ich bloß wüßte, wer dieser vierte Mann ist.«

9
    Tatsächlich: Wer war dieser vierte Mann? Das kann keiner wissen. Vielleicht war es der Teufel, der heraufgekommen war aus dem Reich der Finsternis, um mit einem Schwung gestrauchelter Seelen wieder von dannen zu ziehen. Vielleicht war es der liebe Gott, der, wie man hört, aufgrund gewisser Vorfälle lieber inkognito, möglichst unbemerkt von den Anwesenden auf Erden erscheint und sowieso in aller Regel nur mit Zöllnern und armen Sündern kommuniziert. Oder es war noch ein ganz anderer – dies am allerwahrscheinlichsten. Einer, der weit leibhaftiger ist als alle, die hier am Feuer saßen. Denn wenn sich auch keine Hand in dieses Feuer legen läßt, daß ein Wolodin, ein Kolja, ein Schurik, daß alle diese Hähne, Götter, Teufel, Neuplatoniker und XX. Parteitage je existierten, so gibt es doch immer noch dich, der du eben noch selbst an diesem Feuer gesessen, und deine Existenz läßt sich ja nun wirklich nicht leugnen, und ist es nicht das erste überhaupt, was existiert und irgendwann in dieser Welt gewesen ist?
     
    Tschapajew legte das Manuskript zurück auf die Klappe des Sekretärs und schaute eine Zeitlang durch das halbrunde Fenster seines Arbeitszimmers nach draußen.
    »Mich dünkt, Petka, der Literat in dir macht sich immer noch mächtig breit«, sagte er schließlich. »Die direkte Ansprache eines in Wirklichkeit nicht vorhandenen Lesers ist ein recht billiges Manöver. Selbst wenn man einmal annähme, daß nach mir noch ein anderer diese abstruse Geschichte in die Hände bekäme, er verschwendete keinen Gedanken an die augenscheinliche Tatsache seiner eigenen Existenz, das versichere ich dir. Viel mehr läge ihm daran, dich zu fassen, den Urheber dieser Zeilen. Und da, fürchte ich …«
    »Ich hingegen fürchte gar nichts«, fiel ich ihm nervös ins Wort, während ich mir eine Zigarette anzuzünden versuchte. »Das juckt mich alles schon lange nicht mehr. Ich habe meinen letzten Traum aufgeschrieben. So gut ich konnte. Mehr nicht. Und dieser letzte Absatz, wie soll ich sagen, hat sich so ergeben. Aus alter Gewohnheit. Nachdem ich mit dem Herrn Baron gesprochen hatte.«
    »Ach ja, was hat der Baron dir eigentlich erzählt?« fragte Tschapajew. »Danach zu urteilen, daß du dich mit gelber Mütze zurückgemeldet hast, muß euer Gespräch ziemlich emotional verlaufen sein.«
    »Das kann man wohl sagen. Es lief im Grunde auf den Ratschlag hinaus, ich solle meine Entlassung aus der Psychiatrie anstrengen. Diese mit Sorgen und Leidenschaften bis oben hin beladene Welt, den Wust an belanglosen Gedanken, die Hatz ins Nirgendwo hat er mit einem Irrenhaus verglichen. Worauf er mir, wenn ich nicht ganz falsch liege, zu verstehen gab, daß dieses Irrenhaus und er selbst und auch Sie, mein lieber Tschapajew, der reine Spuk sind. Es gibt nur mich.«
    Tschapajew räusperte sich.
    »Sieh an, so hast du ihn verstanden. Ist ja interessant. Wir werden darauf zurückkommen, sei unbesorgt. Was diese Entlassung

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