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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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»Und du bist der Arnold?«
    » Sure «, sagte Schwarzenegger.
    Maria öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als ihr auf einmal klar wurde, daß sie absolut nichts zu sagen hatte. Schwarzenegger sah sie immer noch an, schwieg und lächelte. Maria schlug die Augen nieder und errötete, worauf Schwarzenegger sie mit einer zärtlichen, doch unwiderstehlich kraftvollen Bewegung herumdrehte und mit sich fortführte. Maria hob den Blick und lächelte ihr berühmtes dümmlich-unerforschliches Lächeln. Schwarzenegger legte ihr die Hand auf die Schulter. Unter dem Gewicht sackte Maria ein wenig zusammen, und sogleich gab ihr Gedächtnis ein unerwartetes Bild frei: Lenin, wie er auf dem Subbotnik eine Bohle schleppt. Das Bild ließ auf Lenins Schulter nur ein kleines Stück von der Bohle erkennen, und Maria überlegte, ob es vielleicht in Wirklichkeit gar keine Bohle war, sondern die Hand eines überdimensionalen Wesens, das Lenin, hilflos lächelnd, nur aus den Augenwinkeln sehen konnte, sowie sie jetzt Schwarzenegger. Im nächsten Augenblick begriff sie, daß dies ein absolut unpassender Gedanke war, und schlug sich das Ganze aus dem Kopf.
    Schwarzenegger drehte sich zu ihr um.
    »Du hast Augen«, sagte er mit monotoner Stimme, »wie von Aiwasowski gemalt.«
    Vor lauter Überraschung zuckte Maria zusammen. Mit derlei Worten hatte sie nicht gerechnet, und Schwarzenegger merkte das anscheinend sofort. Weiter geschah etwas Seltsames – oder vielleicht geschah es gar nicht, und Maria träumte es nur: Über die Innenseiten von Schwarzeneggers Brillengläsern begannen, kaum erkennbar, rote Leuchtbuchstaben zu laufen, wie man sie von Anzeigetafeln kannte; gleichzeitig begann es in seinem Kopf leise zu surren – es war das Geräusch, mit dem eine Computerfestplatte hochfährt. Maria prallte erschrocken zurück. Dann aber fiel ihr ein, daß Schwarzenegger gleich ihr ein virtuelles Wesen war, gepuzzelt von Tausenden russischer Oberstübchen, die in diesem Moment an ihn dachten – und was die Leute bei dieser Gelegenheit dachten, konnte sehr unterschiedlich sein.
    Schwarzenegger hob die freie Hand und fuhrwerkte mit den Fingern in der Luft herum, er schien nach den passenden Worten zu suchen.
    »Nein«, sagte er schließlich, »du hast keine Augen, sondern Perlen!«
    Maria schmiegte sich an ihn und schielte vertrauensvoll zu ihm auf. Schwarzenegger zog das Kinn zum Hals, anscheinend, damit Maria ihm nicht hinter die Brillengläser sah.
    »Hier ist viel Rauch«, sagte er, »warum gehen wir ausgerechnet auf dieser Promenade spazieren?«
    »Weiß ich nicht«, sagte Maria.
    Schwarzenegger bog ab und führte sie vom Balustradengitter weg mitten durch den Rauch. Nach ein paar Schritten bekam es Maria mit der Angst, denn der Rauch wurde so dicht, daß man nichts mehr sah, nicht einmal Schwarzenegger – sie konnte nur noch seine Hand und den Teil des Armes sehen, der um ihre Schulter gelegt war.
    »Woher kommt dieser ganze Rauch?« fragte Maria. »Hier brennt doch nirgends etwas.«
    »CNN«, antwortete Schwarzenegger.
    »Wie, die verbrennen hier ihren Kram?«
    »Nein, nein«, sagte Schwarzenegger. »Sie zeigen es nur.«
    Ach so, Maria verstand: Alle, die jetzt an sie und Schwarzenegger dachten, schauten dabei vermutlich CNN, und die wiederum zeigten irgendwelchen Rauch. Das zog sich arg in die Länge.
    »Keine Bange«, sagte der unsichtbare Schwarzenegger. »Es hört gleich auf.«
    Der Rauch hörte ganz und gar nicht auf, so weit sie sich auch von der Promenade entfernten. Es hätte, wie ihr plötzlich einfiel, gut sein können, daß anstelle von Schwarzenegger schon minutenlang irgendein anderer neben ihr herlief – und wenn es der war, der Lenin auf jener Samstagsschaffe die Hand auf die Schulter … – ein Gedanke, der sie so entsetzte, daß sie mechanisch die Kopfhörer zurechtrückte und den Walkman einschaltete. Die Musik klang seltsam, wie zerhackt: Erst sang jemand schmachtend von der Liebe zwischen einer Gitarre und einer Trompete, dann fuhr ein elektronisches Geheul dazwischen, das sich nach einem Wolfsrudel anhörte. Doch fand Maria das immer noch besser, als den fernen Detonationen und dem nachfolgenden wüsten Stimmengewirr ausgesetzt zu sein.
    Da kam auf einmal eine Gestalt aus dem Rauch geschossen, direkt auf Maria zu, und stieß sie heftig vor die Brust. Maria schrie auf und sah einen Mann in Tarnanzug mit Maschinenpistole vor sich stehen. Der Mann blickte sie an und wollte etwas sagen, als Schwarzenegger den Arm von

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