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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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Insurrektion. Und wie sollte er dies Leuten wie dem lieben Edouard erklären? Es war noch zu früh, als dass er mit seinem Straßburger Verwandten die Politik zum Gesprächsthema machen wollte. Dem Edouard war die Welt zwar auch schlecht genug, jedoch die Lösung sollte die Gottgefälligkeit bringen. So viel hatte Georg schon bemerkt. War Edouard nicht allzu stark an seine Arbeit gebunden, die Augen brav auf die Schriften gerichtet, als dass er sehen könnte? Richtig sehen? – Bei Gott, wer sieht schon richtig? Was sehe ich richtig?
    Was gibt es zu sehen?, hörte er jetzt tatsächlich Edouards weiche, aber jedes Wort deutlich akzentuierende Stimme. Eine Sprechweise, die er seiner Dozentenarbeit zu verdanken hatte. Es hört sich gut an, dachte Georg,repetierte diesen Satz – was gibt es zu sehen – in Gedanken wie ein Narr noch drei Mal.
    Im Theater, fragte Edouard. Was gibt es in dieser Saison zu sehen? Nicht dass ich unbedingt hinginge … aber man möchte etwas mitreden.
    Man, ja, man möchte mitreden, sagte Georg nun wieder zu Louis-Théodore gewandt. So studieren wir uns die Gehirne wund, um dann meist von gesellschaftlichen Ereignissen zu parlieren.
    Wie es ihm manchmal passierte, wenn er zu aufgeregt wurde, strich er sich mit beiden Händen über den Kopf, vielleicht auch um seine widerspenstigen Locken zu glätten.
    Es macht die Gewohnheit, Büchner, die liebe Langeweile.
    Georg sah zu Minna, die zur Tante ging, kurz mit ihr sprach, sich dann setzte, als Edouard wieder mit seinem Theater anfing. Zu Ostern sollte eine deutsche Schauspielgruppe am Theater zu sehen sein.
    Da war wieder Boeckel aufgetaucht, schritt etwas umher, hielt einen Zigarillo ohne Feuer zwischen den Fingern wie ein prätentiöses Spielzeug. Er achtete dabei nicht sonderlich auf die anderen Gäste, schien in Gedanken. Als er sich am großen Tisch den Alten anschloss, machte er der Tante höfliche Komplimente, bei Edouard und August Stoeber ein paar heitere Bemerkungen.
    Die Gewohnheit, erkannte Georg. Eugène wurde hier bei Jaeglés wie ein edles Haustier aufgenommen, in alter Gewohnheit gestreichelt und gefüttert. Er streunte wie ein junger Hund um Minna herum, im guten Wissen, er würde hier getätschelt, ohne dafür mehr geben zu müssen als ein paar gefällige Gesten.
    Dann begann das Verabschieden. Die Tante mit der stillen Tochter ging zuerst. Lucius wurde zum Lernen aufs Zimmer geschickt. Auf Minnas Gesicht zeigte sich kurz ein Zug der Erschöpfung, der sogleich in neue Aufmerksamkeit umschlug, als sie sich den verbliebenen Gästen zuwandte. Sie sah, wie die jungen Herren zusammenhockten, während ihr Vater noch mit dem alten Boeckel sprach. Die Zeit, die es ihr erlaubte, sich zurückzuziehen, war da. Sie räumte ab. Hörte noch den jungen Herren zu. Sie wollten sich treffen.
    Unsere »Eugenia«, hörte sie Stoeber, ist der ideale Ort für Sie, Monsieur Büchner, in unserer Stadt warm zu werden.
    Eugène streckte vertraulich Georg den Arm entgegen.
    Dort werde ich mich keinesfalls lossagen. Medizin hin oder her. Ich werde auch als abtrünniger Theologe dort zu Gast sein, und ich habe mir die Freiheit genommen, für Sie, lieber Büchner, zu werben, Sie als Gast aufzunehmen.
    Georgs Blick wurde rund, nein, er hatte nichts dagegen. Seine rechte Hand streifte über Brust und Rockschöße, suchte das Brillenetui.
    Welche Ehre, es freut mich, nach so kurzer Zeit solches Vertrauen erworben zu haben. Bleibt mir zu hoffen, keiner stößt sich an meinem kantigen Charakter.
    Man lachte. Noch ein paar heitere, freundschaftliche Bemerkungen. Dann waren sie hinaus. Vater Jaeglé wischte sich mit seinem riesigen weißen Sacktuch über die Stirn und dankte Minna. Nannte sie dabei »mein Kind«.
    Die »Eugenia« wird Ihnen guttun, sagte er im Hinausgehen zu Georg, wobei er mit dem Zeigefinger nach oben wies.
    Gerade war Georg dabei, ihm zu folgen, als Minna mit übervollem, schwerem Tablett zur Tür drängte.
    Ich nehme das, sagte er, als sie in der Tür fast mit ihm zusammengestoßen wäre. Das gefundene Brillenetui steckte er wieder ein.
    Verzeihung, Monsieur Büchner.
    Oh, lassen Sie, geben Sie es mir, Minna. – Es war schwer, dieses Tablett. Wie tragen die Frauen das so leichthändig? – Bis in die Küche hinunter?
    Ja.
    Haben Sie gehört, Minna? Bei den Theologen wollen sie mich einführen.
    Theologen? Studenten sind sie allesamt. Unser Cousin Viktor war bei der Gründung der Eugenia auch dabei. Er wird aber kaum mehr dort auftauchen.
    So?

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