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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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Wache unter das Gewehr treten, um uns den Durchgang zu wehren. Doch wir brachen mit Gewalt durch und stellten uns drei- bis vierhundert Mann stark an der großen Rheinbrücke auf. An uns schloss sich die Nationalgarde an. Endlich erschien Ramorino, begleitet von einer Menge Reiter. Ein Student hält eine Anrede, die er beantwortet, ebenso ein Nationalgardist. Die Nationalgarden umgeben den Wagen und ziehen ihn; wir stellen uns mit der Fahne an die Spitze des Zugs, dem ein großes Musikkorps vormarschiert.
    So ziehen wir in die Stadt, begleitet von einer ungeheuren Volksmenge unter Absingung der Marseillaise und der Carmagnole; überall erschallt der Ruf: Vive la liberté! vive Ramorino! à bas les ministres! à bas le juste milieu! Die Stadt selbst illuminiert, an den Fenstern schwenken die Damen ihre Tücher, und Ramorino wirdim Triumph bis zum Gasthof gezogen, wo ihm unser Fahnenträger die Fahne mit dem Wunsch überreicht, dass diese Trauerfahne sich bald in Polens Freiheitsfahne verwandeln möge. Darauf erscheint Ramorino auf dem Balkon, dankt, man ruft Vivat! – und die Komödie ist fertig.
    Ein riesiges Theater, ein Schauspiel, eine Komödie war es, Mademoiselle Minna. Haben Sie die Augen der Leute gesehen?
    Minna schob ihm den Teller mit Bohneneintopf hin, schaute ihn von der Seite an.
    Ja, das habe ich. Man freute sich. Ja, wie … wie aufgestachelt. Es gibt selten große Freude.
    Warum freute man sich, Mademoiselle? Dass es so weit kommen musste? Dass Frankreich dem polnischen Volk nicht geholfen hat?
    Sie sind streng, Monsieur George Büchner!
    Wenn man Kinder zurechtweist, ist es oft gerecht, was einem als Strenge ausgelegt wird.
    Das Brot stellte sie mitten auf den Tisch. Er nahm etwas, und Minna setzte sich mit ihrem Teller dazu.
    Er redete einfach tolles Zeug! Fast tagtäglich. Wenn sie nur wüsste, wie ihn die Eugeniden aufgenommen haben. Büchner selbst sprach von der heiteren Geselligkeit, die ihm recht guttat. Eine etwas provinzielle Deutschtümelei, aber na ja, sagte er. Er kenne ja auch ein anderes Straßburg. Aber die Brüder Stoeber seien ihm durchaus liebe Gesprächspartner. Sie hätten nicht das Geschraubte an sich wie Eugène. Der fing gerne an, von der Anatomie zu erzählen. Hier lachte er.
    Ja, stellen Sie sich vor, wie Boeckel sich in allen Einzelheitenüber die Anatomie auslässt. Allen Nichtmedizinern zum Trotz! Sie haben keine Freude daran. Eugène ist enthusiastisch.
    Sie konnte Georgs Gesicht betrachten, während er sprach, er schien es nicht zu bemerken, stierte in die Ferne, um die Lippen zuckte es verhalten. Dann ein gelöstes, leises Lachen, wenn sie ihn ansprach.
    Und wie geht es Ihnen dort?
    Mir? Ich wühle mich mit hindurch, durch dieses kalte Menschenfleisch. Wenn einem nur unter den Lebenden nicht kalt wird. Dann kann man von Glück sprechen.
    Aber wie geht es Ihnen damit? Ich meine, nun, es ist etwas … ungewöhnlich, wenngleich auch notwendig.
    Mir geht es gut damit. Ein Schulterzucken folgte dieser Antwort, er schaute sie an, ihre dunklen Brauen, den Scheitel im dichten Haar. Lieber nicht direkt in die Augen blicken.
    Ich hatte ja schon bei meinem Vater den Sektionen beigewohnt.
    Oh, wirklich?
    Verschonen Sie mich davor, Ihnen Näheres darüber zu erzählen.
    Aber ich fürchte mich nicht davor.
    Sie sind eine Frau.
    Ja, und?
    Ich werde mir keine Rüge Ihres Herrn Vaters einhandeln. Ihnen von nacktem, totem, zerschnittenem Fleisch zu erzählen, nein, wirklich nicht.
    Dies ist eine Ausrede. Mon cher Papa muss ja nichts davon wissen.
    Nein, lieber nicht.
    Er löffelte wieder Suppe. Wenn sie doch jetzt ein Lied singen würde, denkt er. Aber jetzt kann er sie nicht einfach auffordern, wo sie doch isst. Oder, warum nicht?
    So, jetzt schweigt er, dachte sie, dabei spricht er sonst so frei. Wenn er doch etwas erzählen würde! Wie gestern Abend.
    Da war sie über einer Stickarbeit gesessen, als er in die Stube gekommen war. Er suche Unterhaltung, hatte er gemeint.
    Ihr Herr Papa ist nicht hier?
    Nein, leider. Nur ich. Sie lächelte, stickte weiter.
    Mit übergeschlagenen Beinen setzte er sich eine Weile zu ihr.
    Es ist ein seltsames Ding mit der Langeweile, meinte er. Sie kann so lästig sein und anderenfalls ein Genuss.
    Minna meinte: Wenn man in den Genuss der Ruhe und Tatenlosigkeit nach getaner Arbeit kommt, empfindet man keine Langeweile. Man sollte eigentlich ein anderes Wort wählen. Ich weiß keines.
    Er dachte nach. Auch ihm schien nichts Gescheites einzufallen. Dann

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