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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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zu wissen. Aber auch Georg hatte Vorbehalte. Medizinische Gegenstände sind nicht für Frauenohren, -augen und -köpfe bestimmt. – So sind wir unserem Körper und unserer Unwissenheit ausgeliefert. Wisst ihr Männer, welch beängstigender Zustand dies ist? – Ob sie Boeckel fragen kann wegen der Schmerzen? Wen sonst? Sie hatte ihn schon damals als ihren zukünftigen Arzt in Straßburg gesehen, aber wenn sie dann in Zürich gelebt hätten …? Nun, was auch immer, sie hatte sich vorgestellt, Boeckel müsste der Arzt sein, der ihre Kinder entbindet. – Und was muss er jetzt tun? Meine Launen anhören, mein Herz und meine Lunge abhören, wo er doch nichts finden kann, und über das andere schweigen wir besser beide. – Die Müdigkeit. Das Alleinsein. Beides auf seine Weise verzückend und ernüchternd. Im Einschlafen sah sie Georg und sich selbst auf dem Trottoir vor dem Haus stehen, wenige Tage bevor er nach Zürich reiste. Sie hatte fast geflüstert, aber die Erregung brach ihre Stimme in ungewohnte Härte: Ja, George, hatte sie gesagt, grundlegende Änderungen! Aber die Leute haben Angst vor dem Blut, das es kosten wird. –Das Bild verblasste in dem leichten, freien Raum des Schlafs und als Letztes kam ein Gedanke zurück – im selben Moment ahnte sie, er würde nicht über diesen Halbschlaf hinaus bei ihr bleiben, war zum wiederholten Vergessen verurteilt –, ein Gedanke, der ihr noch in Ostende gekommen war, als sie mit Emma Herwegh sprach: Fühlen wir uns nicht erst im Leid? Georg sagte: Welche Wollust ist es, sich zu fühlen. Doch das hatte sie Emma nicht erzählt.

1832
    Nichts blieb mehr wie zuvor. Die Schritte durchs Treppenhaus, der Geruch, der von der Küche über die Treppen nach oben zog, die Sonne, die ihr fahles Winterlicht durch die Scheiben fallen ließ. Bald wusste Minna nicht, ob sie nach oben oder nach unten hatte steigen wollen, bald ließ sie Dinge am falschen Platz. – Welch ein ungeschicktes Wesen! Aber nein, Minna! – Ihre Hände waren unruhig, wollten schon etwas tun, bevor der Kopf die Sache zu Ende gedacht hatte. Sich in den Wäschekorb verkriechen wollen und sich einbilden, es sei ein Federbett, am Herd ein Weilchen stehen wollen, damit jeder meint, die roten Wangen kämen von der Hitze. Oh, Minna!
    Ein lakonischer Gruß zum Morgen, wenn er in die Küche trat, wenn die anderen schon dasaßen, und auf seiner Wange zeigte sich ein roter Fleck, links – oder war es gestern rechts gewesen? Ein einsamer, fast ringförmiger rötlicher Fleck, der etwas wie Aufregung verraten hätte. Achtete niemand darauf?
    Was sah der Vater? War er zu gütig oder nur gleichgültig? Die Güte kannte Minna an ihm. Wie sehr er im Gesicht seiner Tochter lesen konnte, wusste sie nicht.
    Minna konnte nicht mehr davonlaufen. Sie stand fest, schaute Georg an. Sie lernte, vor Umarmungen nicht zu fliehen. Im Durchgang zum Garten war es, in dem kurzen Tunnel zwischen dem Hausgarten und dem vorderen Kirchgarten, der direkt hinter St. Guillaume lag,an der Stelle, an der kein Blick aus den Fenstern hinreichte.
    Minna oder auch Mimi? Hat dich schon jemand Mimi genannt?
    Manchmal, ja.
    Seine Hände leicht auf ihren Schultern, ihr Arm um ihn gelegt, die Hand auf seinem Rücken. Er ist groß, denkt sie. Seine Augen zeigen etwas Feuriges, fast wie wenn er sich über die Regierung in Hessen echauffiert.
    Wie nennt man dich noch? Welche Namen gibt es hier für Wilhelmine?
    Sie lacht auf. Minnele, oder auch Miene. Und du? Wie hörst du deinen Namen lieber von mir? Georg oder George?
    Muss ich mich entscheiden? Es scheint mir unmöglich, meine liebe Seele.
    Seele? Oh, George? Wo haben wir unsere Seelen gelassen? Ich fürchte, meine ist weit zu dir gegangen.
    Sie blickt sich um.
    Keine Angst, keiner kann uns sehen.
    Und wenn jemand kommt?
    Keiner kann kommen, ohne dass wir das eiserne Türchen hören.
    Und wenn trotzdem jemand kommt? Was tut der Herr Studiosus hier im Garten?
    Sich die Füße vertreten. Nach den Tauben Ausschau halten. Die Rückseite der Kirche betrachten.
    Sie lachen.
    Wie nennt man dich zu Hause, George?
    Das Hessische ist meinem Namen gegenüber ungnädig. Aus dem Georg wird allzu schnell ein Schorsch.
    Sie lacht wieder, wiederholt: Schorsch! Mein Schorsch!
    Seine Hand findet hier die Gelegenheit, leicht ihre Lippen zu berühren. Pst. Bleibe lieber bei George.
    Minna und George. Zwei Namen. Ein Atemzug. Minna und George und kein Rückzug mehr.
    In der Küche drinnen dann wieder die Länge des Tisches

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