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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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zwischen ihnen, die Bewegungen der anderen. Man unterhält sich.
    Ist Vater wirklich so beschäftigt, dass er nichts sieht? Oder bin ich eine gute Schauspielerin? Wieder das Wort Spiel. Es ist gleichgesetzt mit Kinderei, Laune. Bin ich doch weder verspielt, noch bin ich launenhaft. War doch immer ernst und standhaft. Da kommt er! Mit seinen Sprüchen, seinen verrückten Sätzen. Und er sagt, ich mache ihn lebensfroh, er brauche meine Gegenwart. Georg! Oder George! Student Büchner, mein Vater würde dich in einem anderen Haus einquartieren, wenn er es sehen oder hören würde zwischen uns. Ein Gefühl, ein Hirngespinst. Aber ich habe dich doch umarmt, ich habe dich geküsst! Dies hätte man sehen können. Gott bewahre! – Dabei fängt es doch meist so an. Immer gleich. Sind wir uns alle so elend ähnlich?
    So fängt es an. Heimliche Blicke, Augen niederschlagen, Erröten. Daran dachte auch er, in seiner Kammer über die Bücher gebeugt. Die Banalität eines Balzspieles, wenn man’s böse sagen wollte.
    Mehrmals musste er sich die Haare mit der Hand zurückstreifen. Sie waren lang geworden in den letzten Wochen hier in Straßburg. Lang und widerspenstig. Die Locken standen in alle Richtungen vom Kopf ab. Wiedie Gedanken darunter, so stachelte er sich selbst zu einem Lacher auf. Wieder ein Zurückstreichen.
    Minna amüsierte sich darüber. Abends oben in der großen Stube beim Gespräch mit Louis oder Vater Jaeglé, Minna mit der Handarbeit dabei. Die Blicke ein ständiges voneinander Losreißen.
    Die Münder sagten etwas anderes, als sie wollten. Minna mochte ihm die Locken aus der Stirn streichen, ihm zur Nacht einen Kuss geben, anstatt eines faden Grußes. Es gab Versprechungen, und das vorsichtig ausgesprochene Wort Liebe sollte der Siegellack darüber sein.
    Sie beugten sich der Verschwiegenheit, in der sie sich unversehens fanden. Wann hatte es begonnen? Als er krank war. Vielleicht schon davor.
    Davor, das waren die Tage gewesen, an denen die Flugschriften mit der Rede Blanquis im »Procès des Quinze« verbreitet wurden. Georg schien sie wochenlang zu studieren und sich wieder und wieder darüber in Rage zu reden. Diese Rede waren brennende Sätze, ein Fegefeuer der Anklage gegen die ökonomischen Zustände in Frankreich. Das Flugblatt trug er buchstäblich ständig bei sich.
    Oh, er ist ein glänzender Redner. Der Gerichtssaal muss starr vor Staunen gewesen sein!
    Viele mochten die Rede gelesen haben, viele mochten sie schnell wieder vergessen. – Hört es denn nie auf! Wann bekommen wir eine anständige Regierung? – Wird sich alles von selbst regeln? – Regiert uns wirklich eine Schicht von Geldadel? – Man las, wie er die sozialen Verhältnisse im Land schilderte: als ein »mit bewunderungswürdigerKunst kombiniertes Räderwerk« zur Ausbeutung der arbeitenden Armen durch die müßiggängerischen Reichen. Dies war seine Anklage, und ihn klage man an, »vor dreißig Millionen Franzosen gesagt zu haben, sie hätten das Recht zu leben«.
    Aber ja, Minna! Ich sage, diese Rede hat eine große Wirkung auf die Gemüter und eventuell auch auf die Regierung.
    Minna war, als stünde ihm selbst das Feuer dieser Verteidigungsrede ins Gesicht geschrieben, als müsste er vor Gericht stehen. Dabei stand er nur in der Tür zu seiner Kammer, hielt die Hände vor sich zusammen, als hätte man ihm Fesseln angelegt. Eine seltsame Geste, bemerkte Minna für sich und mochte wieder einmal durch seine Augen in sein Gehirn schauen.
    Jetzt ist Blanqui fürs Erste im Gefängnis, und ich fürchte, für lange, George. Meinen Sie nicht?
    Das fürchten viele, und er erzählte vom Onkel der Brüder Stoeber, vom Notar Christian Stoeber. Der war in Straßburg Sekretär der »Amis du peuple« und ebenfalls dieser Meinung.
    Sie treffen sich oft mit Leuten aus diesem Zirkel?
    Oft? Ich weiß nicht. Nicht zu oft, aber gerne.
    Sie wandte sich zum Gehen, sagte noch: Und Sie passen auf sich auf?
    Wurde er verlegen, da er zur Seite sah?
    Aber ja, Minna, so gut es geht.
    Minna war unzufrieden mit dieser Antwort.
    Dann kam das Fieber, irgendwann Ende Februar oder im März. Am 21. Februar war er noch bei der »Eugenia«-Sitzung gewesen. Langsam hatte es sich eingeschlichen,man hätte es beiläufig für einen Ausdruck seines hitzigen Gemütes sehen können. Die Hitze, in die er sich geredet hatte, wieder einmal wegen Blanqui oder Louis-Philippe oder du Thil in Darmstadt.
    Mein Gott, die jungen Leute, sagte der alte Jaeglé. Ich verstehe Sie ja,

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