Büchners Braut: Roman (German Edition)
Pflege abgestellt.
George, nicht so viel reden, das tut dem Hals nicht gut.
Sie setzte sich auf die Bettkante.
Wenn er es wüsste, Minna, wie sehr ich Sie um mich haben muss!
Das darf er nicht wissen, George, und ich denke, er weiß es noch nicht. Er weiß nicht, wie gerne ich hier bei Ihnen bin, George.
Minna, hier fühlen Sie! Er nahm ihre Hand und legte sie auf seine Brust. Zwischen ihrer Hand und seiner nackten Brust nur das Tuch des Nachthemdes. Weißes, leichtes Leinen. Seine Brust war warm.
Schlägt mein Herz nicht aufgeregt, ist es nicht vorbildlich bei Kräften?
Ein wunderbares Herz, ja, Sie haben ein ganz wunderbares Herz, und sie wollte nicht rot werden, fürchtete aber, sie war es bereits. Aber was machte das schon?
Dann und wann verfiel er in einen Dämmerzustand, den er später selbst erklärte: Fast eine Art Halbschlaf, aber doch dem Schlaf weiter entrückt. Das Fieber dämpft das Empfinden, das Gefühl fürs Leben, drückt es zurück in die Gehirnkammern, wo es festsitzt wie ein toter Stein. Aber nein, da sind gar keine Kammern. Das Gehirn ist eine weißgraue Masse.
Jetzt fiel ihm etwas ein. Minna, da liegt noch ein Buch auf dem Tisch, Sie sollten … nun, blättern Sie nicht darin. Es sind Abbildungen darin …
Sie sollten sich nicht echauffieren, bitte.
Geben Sie es mir. Ich meine das …
… das mit den Abbildungen.
Es muss in die Bibliothek zurück.
Nicht jetzt, nicht heute und nicht morgen.
Geben Sie es mir?
Da hatte sie es ihm bereits gereicht, und er schaute verdutzt darauf.
Es ist nicht aufgeschlagen? Ich wollte es zuklappen, damit …
George, ich habe es bereits vor drei Tagen zugeschlagen.
Sie haben darin geblättert?
Leise lachte sie auf, schenkte Tee in eine Tasse ein. Nur ein wenig geblättert. Sonst nichts.
Mit gespielter Strenge sagte er: So, so, nur ein wenig geblättert.
Die Heiterkeit des Augenblicks. Wenn sie nur bleibt, und wenn sie will, soll sie das ganze Buch durchblättern. Nur nicht in diese Tristesse der leeren Momente fallen. Zum ersten Mal lag er außerhalb seines Elternhauses krank zu Bett, keine vertrauten Geräusche und Schritte um ihn oder die Stimmen der Geschwister. Keine Mutter, die zu ihm kam. Hier gab es Minna. Minna als Ersatz für die Mutter? Aber nein, so kann er ihr das nicht sagen. Was soll sie denken? Um ihretwillen soll sie bei ihm sein.
Gerade jetzt war er müde, grenzenlos müde, und das Buch wurde schwer. Sie hielt es für ihn fest, nahm wieder diesen Platz auf seiner Bettkante ein, was ihn erschreckte und entzückte. Außer seiner Mutter hatte noch nie eine Frau auf seiner Bettkante gesessen. Er, jaer, hatte auf fremden Bettkanten gehockt, in den unbekannten Kissen gelegen, wollte, dass dies niemand erfährt, die Mutter nicht, und Minna nicht. Und war nicht auch dieses Bett hier fremd, nicht das eigene? Insgeheim war sein Zuhause, sein Zimmer noch das in Darmstadt, dieses und kein anderes, dort wo die Mutter über ihn wachte.
Ach, Minna.
Die Nächte waren ihm ein Graus. Jeden Abend bangte er um den beruhigenden Schlaf. Meistens ging es gut. Jeden Morgen erklärte er aber, er habe das Gefühl, er habe nicht wirklich geschlafen. Darauf gab sie ihm nachmittags Melissentee und abends Milch mit Lavendel.
Auf dem Gipfel der Krankheit fiel er tagsüber in traumartige Zustände, in Halbschlaf.
Es ist mir ohnehin der Zustand zwischen Schlaf und Wachen manchmal recht zuwider. Dann wird mir oft ein Riss zwischen mir und der Welt bewusst.
Minna hört zu, weiß, es ist besser, nichts zu sagen, nicht dagegen zu reden.
Ich fühle mich wehrlos, alles ist so traumartig, kalt. Können Sie das verstehen, Minna? Traum und Kälte, eine seltsame Verbindung, nicht wahr?
Sie nickt, sie will ihn verstehen. Man gibt sich manchmal nicht gerne dem Schlaf hin. Mir geht es auch so. Die Unruhe.
Ja, die Unruhe, eine schreckliche Leere und eine folternde Unruhe, sie auszufüllen. Wenn man doch einen fixen Gedanken hätte, auf dem man herumreiten könnte. Und wenn diese fixe Idee da ist, dann möchte man sie loswerden. Die Denksucht drückt dann wieder dasEmpfinden nieder. Aber das ist ein anderer Zustand. Mich an einen Gedanken halten zu können, auch wenn er noch so verrückt ist, tut mir wohler.
Er schwitzt und nimmt ihre Hand, hält sie sich an die Stirn. Seine blonden Locken kleben am Kopf.
Bald wird es besser, sagt sie, streichelt dann mit beiden Händen sein Gesicht. Er will ihre Hände nicht hergeben, will sie halten, fühlen. Die Angst vor dem
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