Büchners Braut: Roman (German Edition)
lieber Büchner, aber übertreiben Sie es nicht. Denken Sie an Ihr Studium, wenn mir diese väterliche Phrase erlaubt ist.
Darauf tat Georg munter. Keine Angst, Monsieur Jaeglé! Wenn Herz und Geist die richtigen Reize bekommen, macht das Studieren auch Laune. Mir bekommt die französische Gewitterluft sehr gut. Wenn nur die Aufständischen und ihre Fürsprecher nicht die Kandare der Regierung zu fühlen bekämen. Es ist ein Jammer.
Seine Lippen zogen sich bei diesem Satz zusammen, ließen Kinn und Gesicht schmal werden.
Jaeglé legte ihm die Hand auf die Schulter. Denken Sie nicht zu viel darüber nach. Schluss jetzt.
Georg hielt eine Hand an die Stirn. Ich fürchte, heute kann ich nicht mehr außer Haus gehen.
Darauf ging er in seine Kammer und verließ das Haus zwei Wochen lang nicht.
Der Vater bat Minna, sich um ihn zu kümmern. Er wolle seiner Cousine in Darmstadt nicht zu Ohren kommen lassen, man habe ihren Ältesten hier in seinem Haus vernachlässigt.
Er wird nicht vernachlässigt, ganz gewiss nicht, so lautete Minnas Antwort.
In seiner Kammer fand sie einen fiebernden jungen Mann und dann die Unvernunft.
Ich war im Fieber, wird er später erklären und fragen: Was habe ich geredet?
Viel tolles Zeug und viele liebe Sachen, George!
Das Fieber hat mir Mut gemacht, hat mir den Mund geöffnet. Entschuldigt mich das Fieber?
Nein, nein, du hast das Fieber gebraucht, es ließ dich Dinge sagen, die der gesunde, vernünftige George – selbst der, der tolles Zeug daherredet – sich nicht zu sagen getraut hätte, nur unter dem Mantel der Ironie, des Vergleichs, einer närrischen These. Und: Ich, mein Liebster, entschuldige dich nicht! Und du darfst mich auch nicht entschuldigen, dies würde heißen, wir hätten etwas Unrechtes getan, was der andere nicht wollte. Zuerst glaubte ich, es sei Unrecht, ich wäre ungehörig. War es nicht ungehörig, deine Sachen zu betrachten? Dabei kannte ich sie schon, aber ich habe sie genau betrachtet, habe alles auf deinem Schreibtisch zurechtgelegt, die Brille geputzt, die Stifte und Blätter gestreichelt, bin mit dem Finger deiner Schrift auf dem Papier gefolgt. Du fragtest mich nach den Büchern.
Minna, dieses dort, mit den … Ich muss dies nachlesen, wegen der vergangenen Vorlesung … Wann ist die nächste? Welcher Tag ist heute?
Im dicken Kissen lag sein Kopf in einer weichen Kuhle eingebettet, er erhob sich leicht, sackte zurück, reckte den Arm nach dem Schreibtisch.
Nein, George, Sie müssen keine Vorlesung besuchen. Sie können jetzt nicht lesen. Ohne Widerstand zu fühlen, lenkte sie seinen Arm zurück auf die Bettdecke.
Sie mochte nicht aus dem Zimmer gehen, sagte trotzdem: Sie sollten nun schlafen.
Energisch wiegte er den Kopf. Jetzt nicht. Er schaute zum Fenster. Wird es Frühling?
Bald. Noch weicht die kalte Luft nicht. Und erst wenn die Störche zurück sind, kommt der Frühling sicher. Das dauert aber noch.
Sein Blick zum Fenster war grübelnd. Öffnen Sie das Fenster, Minna, so kann ich die Störche hören, wenn sie kommen. Dann werde ich Sie rufen, Minna, und Bescheid sagen, jetzt sind die Störche da.
Unter einem kräftigen Ruck quietschte der Fensterrahmen. Nur kurz, sagt sie. Es ist zu frisch.
Immer wieder öffnete sie für eine Weile das Fenster, so wie es ihr der Arzt aufgetragen hatte. Georgs Fieber sei nicht hoch, aber er neige zu extremen Einbrüchen. Seine Verfassung sei nicht leicht einzuschätzen. Der Hals war es, die Brust tat auch weh, aber der Husten blieb leicht, fast zu oberflächlich. Er hustet nicht ab, sagte der Arzt.
Ich habe das jedes Jahr, im Herbst oder im Frühjahr, Minna, keine Sorge, bemühen Sie sich nicht so sehr, es ist doch nur eine Verkältung.
Nur eine Verkältung, gab sie ihm recht, um ihn zu beruhigen, erklärte aber, sie werde ihn nicht eher aus dem Bett entlassen, bis alles vorbei sei.
Dabei beugte sie sich über sein Gesicht, und er hielt sie leicht am Arm fest. Sie bleiben bei mir? Ich wünschte, jede Stunde. Mir ist elend ums Herz, wenn Sie nicht da sind, Minna.
Der fiebrige Blick bohrte sich in ihr Gesicht. Sie beruhigte ihn. Sooft es geht, bin ich hier. Mein Vater wünscht das auch. Sie lächelte.
Er, dankbar um jedes Lachen, sagte: Diese Glückseligkeit, die in Ihnen wohnt, die brauche ich um mich. Weißdas Ihr Vater? Weiß er schon, dass mein Herz pocht, wenn Sie das Zimmer betreten? Nein, gewiss nicht, er wäre ein umsichtigerer Vater. Wenn er es wüsste, hätte er seine Tochter nicht zu meiner
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