Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
Vom Netzwerk:
Kraft und Stoff. Keine allein für sich bestehende Schöpferkraft kann Natur und Welt aus sich selbst oder aus dem Nichts hervorbringen. Es gibt keinen erschaffenden Gott, die moderne Wissenschaft liefert die Beweise. In dreizehn Sprachen wurden seine Texte unter die Menschen getragen, wieder und wieder wurde das Buch aufgelegt. Dies ist Ludwig Büchners »Später« – der Erfolg von »Kraft und Stoff«, Jahrzehnte, bevor man daran dachte, ein Stück von Georg auf die Bühne zu bringen.
    Ludwig geht die Straße hinunter, sein Blick sucht durch die engen Gassen den Münsterturm. »Prosit Neujahr, Hammelmaus!«, ruft es ihm nach, aber er kennt die Stimme nicht. Er kann sich an die Stimme seines Brudersnicht erinnern. Wenn er sich erinnern will, am wenigsten.
    ***
    Minna räumte die Briefe und Manuskripte wieder in den Sekretär. Hier das Bündel mit der roten Schleife. Schnell hinein damit.
    Oh, George! Ich weiß nicht, was richtig ist. Und er ist doch dein Bruder. Darf ich da nicht …?
    Sie schloss die Laden ab und klappte die Schreibplatte nach oben. Sollte sie zurückhaltender sein? Aber es ist ja für die Familie. – Ich bekomme ja doch keine Antwort von dir, George!
    Vom Tisch räumte sie die Teetassen ab, auf der eisernen Platte des kleinen Kanonenofens stand noch der Kessel. Sie hielt die Hände gegen das warme Kaminrohr, rückte die Stühle zurecht, die Kissen, die Decken, stellte die Tassen und die Kanne aufs Tablett.
    Bisher hatte sie keine Originale aus der Hand gegeben. Dieses jetzt. Nun gut, was soll ich mit diesem. Er ist doch dein Bruder.
    Ein Blick hinaus. So früh dunkel! Sie sah kaum etwas, am ehesten noch ihr Spiegelbild in der Scheibe. Sie zog die Vorhänge zu.
    Abschriften! Nur Abschriften habe ich gemacht. Damals deinem Freund Gutzkow. War er ein Freund? Er hatte dich nicht ein einziges Mal gesehen. Aber er schien mir ein Freund.
    Da hatte sie ihm »Leonce und Lena« abgeschrieben. Sogar Auszüge aus den Briefen. – Nichts wirklich Persönliches, nein, nichts Intimes. Aber womöglich doch zu viel! Ich war so traurig und freute mich, dass sie deineSchriften sehen wollten. Dann schrieb Gutzkow doch tatsächlich, er könne das Lustspiel nicht in Druck geben. Zu unfertig, zu schnell hingeschrieben. Mein Gott, ich kann das doch nicht beurteilen!
    Du kannst es nicht?
    Nein! Wie sollte es mir möglich sein, über deine Schriften nachzudenken?
    Er war kein Freund, er war ein Herausgeber, ein Verleger.
    Ja, ja, gut, ein Verleger.
    Sie legte eine Hand auf den Bauch, die andere an die Wange. Sollte sie schon hinuntergehen? An diesem Tag der Woche badete sie. Das Küchenmädchen wusste Bescheid, würde noch vor dem Abendessen alles herrichten. Mit dem Tablett auf dem Arm ging sie die Wendeltreppe hinunter.
    Pass auf, du böses Mädchen, du!
    Lass mich!
    Einen Lebenden kann man fortschicken, einen Toten nicht, wenn er sich erst einmal im Gehirn eingenistet hat, redet, fragt, behauptet. Er muss doch in den Briefen und Manuskripten verbannt bleiben. Aber er kann ihr überallhin folgen.
    Vom ersten Stock hinunter ins Erdgeschoss, vorne rechts im Flur lag die Conciergewohnung. Jetzt nach hinten in Richtung Gartenausgang, nun noch ein paar Stufen rechts hinunter ins Tiefparterre zur Küche. Vor der Küche eine Bank an der Wand, darauf standen ein Holzkasten und ein Nudelbrett. In der Küche stellte sie das Tablett auf den Tisch, an dem das Küchenmädchen saß, die Kaffeemühle zwischen den Knien.
    Mademoiselle Jaeglé, ich hab alles hergerichtet.
    Danke, Adele.
    Das Knirschen aus dem Mahlwerk war gleichmäßig und beruhigend. Links neben der Tür der Weißzeugschrank, daneben der Wäschekasten. Die Wachstuchtüren legten sich mit einem schabenden Geräusch zur Seite. Minna holte heraus, was sie an Tüchern brauchte, wobei sie mit dem Fuß an eine blecherne Kerichtschaufel auf dem Boden stieß. Ein entsetzliches Scheppern. Minna zuckte kurz. Das Mädchen schaute nicht einmal.
    Auf dem breiten Herd standen noch ein Schmelzpfännchen und ein Suppenkumpf mit dem Rest der Matelotte vom Mittag. Ein riesiger Wasserkessel dampfte leise vor sich hin. Zwischen der Anrichte mit dem Geschirr und der Tür zum Kohlenkeller gegenüber war eine Leine gespannt. Darüber ein breites Betttuch gelegt, womit der hintere Teil der Küche abgeschirmt wurde. Dort stand der Badezuber, ein hölzerner noch, nicht ein moderner zinnerner, in dem das Wasser so schnell kalt wurde. Sie stützte sich mit beiden Händen auf den Rand und atmete

Weitere Kostenlose Bücher