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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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und ab, ihr blauer Rock raschelte leise in die Melodie hinein. Sie führte eine Hand sacht hinter ihren Kopf, an die in Flechten ineinander verschlungenen Haare. Eine Nadel drückte. Heute Abend müsste sie die Haare lösen,morgen neu richten. Gewöhnlich schlief sie zwei Mal mit der Frisur, jeden Tag konnte sie das Hausmädchen nicht um Hilfe bitten.
    Als sie wieder vor den Mädchen saß, fragte sie: Was heißt es nun, auf jemanden zu bauen? – Nein, die Großen sollen nicht antworten, die Kleinen sollen es herausfinden. Auf wen kannst du dich verlassen, wer sorgt für dich, Hanna?
    Papa und Mama.
    Oui, dies sind die Ersten, denen wir vertrauen, auf die wir bauen können. Und so wie unsere Eltern, unsere Familie der Felsen sind, auf dem unser Leben steht, ist der Herr eine feste Burg für unsere Seele.
    Einen Augenblick überlegte Minna, wie sie antworten sollte, wenn eine fragen würde, wirklich nachfragen würde, woran man dies sehe, dass der Herr unsere Burg ist. Hatte er nicht viele Familien verlassen, und sie konnten sich nur selbst helfen? O Gott, du machst es uns so schwer!
    Die Mädchen fragten nicht, die Welt blieb in Ordnung mit dem Glauben an Gott als feste Burg, dem Elend auf der Erde und der Hoffnung auf Erlösung im Jenseits. Alles blieb jämmerlich, und keinem konnte man es sagen. Im Himmel dürfen die armen Leute dann fronweis donnern helfen.
    Die Mädchen schwangen die Füßchen. Bei mindestens zweien von ihnen war es fraglich, ob jeden Tag zu Hause eine anständige Mahlzeit auf den Tisch kam. Zwei, das ist doch von sieben nicht viel. Sollte sie das trösten? Nein, erst wenn alle satt würden, wollte Minna zufrieden sein. Erst wenn jeder Bauer seine Kartoffeln schmälzen kann, ein Huhn im Topf hat! Zuvor gibt eskeine Ruhe, hatte George gesagt. Mästet die Bauern, und die Revolution bekommt die Apoplexie!
    Minna konnte sich nicht blenden lassen, wusste sie doch, in ihren Unterricht schickten eher die Leute, denen es gutging, ihre Kinder. Aber es gab genügend von diesen »Kinderverwahranstalten«, wo eine einfache Frau, meist alt und verwitwet, eine Schar von Kleinkindern gegen geringes Geld in ihrer bescheidenen Wohnung hütete, sie stricken und Lumpen zupfen ließ und eine Bibelstelle nach der anderen heruntergeleiert wurde.
    Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenktest mir voll ein.
    Ja, so manchem wurde voll eingeschenkt, Not und Hunger zur Genüge. – Minna, komm zurück zu dir. Hier, jetzt ist Unterricht. Nicht abschweifen in Gedanken.
    Die Füße der Mädchen pendelten weiter, beharrlich, auffordernd. Spielen wir Afrika, Mademoiselle Mimi?
    Vor einigen Wochen waren sie darauf gekommen. In Afrika gab es Menschen, die das ganze Jahr keine Schuhe brauchten, hatte Minna erzählt. Es kam die Frage, ob die Menschen so arm seien. Dies wollte Minna nicht bestätigen, die Menschen trügen aus Tradition keine Schuhe, es sei ja dort beständig sehr warm. Sie suchte Bilder eines Afrikaners. Mit Mühe fand sie eine klägliche Zeichnung.
    Wie es wohl sei, so ganz ohne Schuhe? So haben sie es alle ausprobiert. Längst hatte sich Minna abgewöhnt, an eventuell unangenehme Nachfragen der Eltern zu denken. – Sie haben im Ernst den Kindern erlaubt, Schuheund Stümpfe auszuziehen? Und Sie, Mademoiselle, zogen auch Ihre Strümpfe aus? Mon Dieu, warum? – Diese Fragen kamen nicht. Die wenigsten kümmerten sich wirklich um das, was hier geschah. Den Kindern hatte es Freude bereitet.
    Mademoiselle, wie weich der Teppich ist, wie kalt der Boden ist. Huch, hier kitzelt es.
    Der Sinn zur Heiterkeit, einen Sinn für seinen Körper zu haben, dies gehörte nicht zur Regel der christlichen Unterweisung, die man ihr selbst beigebracht hatte. Minna erklärte trotzdem, barfuß zu gehen sei gesund. Das hätte schon Papa Oberlin gesagt.
    Obgleich sie dies von ihm wirklich nicht wusste. Eher schon von ihrem Vater. Doch konnten die Eltern dem auf den Grund gehen? Dass Minna Oberlin kannte und bei seiner Tochter unterrichtet wurde, brachte ihr Verehrung ein. Auf dieser Ehre konnte sie sich etwas ausruhen und gewiss sein, man würde noch lange gerne Kinder zu ihr schicken.
    Auf das Drängen der Kinder, und die Versuchung war groß, zog auch sie wieder Schuhe und Strümpfe aus. Ja, angenehm war es, dieses Gefühl. Und Oberlin konnte auf seiner Sittsamkeit heruminsistieren, wie er wollte. Inzwischen waren andere Zeiten gekommen. Man hatte die Natur und die Empfindung

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