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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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Ärmelbündchen. Der Kopf, ein Nest von Nesseln. Sie fingerte am Hals, fand die Knöpfchen nicht. Auf das besorgte Fragen von Julie hielt sie den Brief ihr wedelnd entgegen.
    Nimm ihn, und mein Hals … ich muss … der Kragen.
    Julie ließ das Blatt einfach fallen, half Minna den Kragenzu öffnen, während Charles den Brief aufhob, und Minna röchelte: Lies, lies ihn bitte vor, Charles.
    Sie verscheuchte Julie von ihrem Hals, aus ihrer Nähe, denn sie wollte nichts an sich fühlen, schon gar keine Hände, keine Wärme. Ihre Haut brannte.
    Ja, ja, ist schon gut, Minna. Julie trollte sich missmutig, hörte ihrem Mann zu, der mit senkrechten Stirnfalten über den Brief blickte, las und las, und die Worte kamen fremd, sehr fremd zu ihnen, denn der Name Büchner war lange, lange nicht mehr gefallen, und so stammelte Minna: Jetzt noch? Jetzt noch? Was wollen sie von mir?
    Unversehens beginnt sie in Gedanken bereits, das Verbliebene von Büchners Schriften zu suchen. In der Schreibkommode? Oder in Kisten, vom Krieg noch im Keller. Nein, das war doch alles ausgepackt. Wo? Wo, Julie?
    Du musst darüber nicht nachdenken, Minna.
    Nein, ich muss nicht. – »Das muss ist eins von den Verdammungsworten, womit der Mensch getauft worden.« George Büchner! Solche Sätze, die kamen nur aus deiner Feder und aus deinem Mund. Und jetzt wollen sie von mir den Rest deiner Worte, alles, alles soll vor die Öffentlichkeit gezogen werden. Was ist daran, an deinen Worten? Tolles Zeug, Gedankenspielerei, das Sezieren der innersten Regungen, und dabei hast du doch immer nur von dir selbst geschrieben. – »Es muss ja Ärgernis kommen, aber wehe dem, durch den es kommt«. – Durch mich? Durch dich, du Wortheiliger! Ha, und jetzt durch diesen Franzos! Ludwig hat ihn geschickt, oder wahrscheinlicher noch dieser Gutzkow, dieser Nachlassmarder! Nun, sie wollen noch mehr von mir,und da Ludwig nie wieder vor mich treten kann, kommt dieser Schreiberling. –
    Lasst mich aufstehen, ich gehe hinauf.
    Wenn es dir schlechtgeht, Minna, dann rufe, oder besser, ich schicke das Mädchen alle Stunde zu dir.
    Aber nein. Dieses Brennen und Kribbeln, ich kenne es schon, hatte ich bereits als Kind. Nesselausschlag. Ist nur die Aufregung, hat schon die Mutter gesagt.
    Aber wie sie sich damals gegen die Behauptung der Mutter, es sei nur die Aufregung, sträubte, so bäumte sich diesmal ihr alter Körper weiter auf, holte ein Fieber hervor, Schmerzen im Kreuz, in der Brust. In den Fingern und Zehen ein Stechen und Hacken, dass es die Knöchelchen zu sprengen schien. Schlaflos blieben die meisten Nächte.
    Eine wirkliche Besserung wollte nie mehr erfolgen.
    Lasst mich doch alle in Ruhe! Dieser Satz bebte beständig in ihr, wurde manchmal trotzig den Eintretenden entgegengeworfen.
    Warum jetzt noch? Georg Büchner, auferstanden aus den verschütteten Winkeln ihres Geistes durch die drängende Aufforderung eines Wiener Zeitungsschreibers. Eine moralische Verpflichtung? Woher soll er das Recht haben, mich so zu bedrängen? Eine Nötigung. Ja, und Charles bestätigte es ihr. Du brauchst nicht zu antworten, sagte er, schon gar nicht, solange du krank bist.
    Gesund werde ich nicht mehr, und sie richtete sich auf, ging nervös umher und schließlich nach oben, in eine weitere schlaflose Nacht.
    ***
    Gedanken, immerzu Gedanken im Kopf, und keiner kann sie einem nehmen. Wie ein Fliegenschwarm. Lästig! Wenn man sie verjagen oder den Herrgott oder den toten Vater herbeizerren könnte aus ihren Wolken und sie fragen könnte, was richtig sei zu tun. Antworten bekommt man nicht aus dem Himmel, so sagtest du immer, George. Jetzt steh nicht so da und schau mich an, mit deinem spitzen Insektengesicht. Du bist jung gestorben, was weißt du schon vom Leben, und ihre wehen Finger begannen in der Schreibkommode zu kramen, waren doch in der Bewegung die Schmerzen leichter zu ertragen, fast vergessen. Wer kann schon ständig liegen, und dieses Ruhen tat nicht gut. Sie fand die Schriftstücke, von denen sie wie eh gewusst hatte, sie waren noch da, bei ihr. Das Tagebuch aus Zürich und einige Manuskripte, die Schrift aus einem anderen Leben, seinem, welches nie das ihre wurde. Sie las ein Stück.
    Mein Gott, George, du bist ein Schmierfink.
    Schelte mich nicht, ich musste schnell schreiben, im Gedankenfluss.
    Sei still, ich bitt dich. Ich muss jetzt diesem Menschen in Wien antworten.
    In aller Ruhe holte sie einen Bogen Papier hervor, das Tintenfass, und setzte die Feder an:

    Straßburg,

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