buen caminoooo!!! (Ein launiger Reisebericht) (German Edition)
mehr Informationen, außer, dass er aus Kanada kommt und heute bis Larrasoaña läuft. Lächelnd verabschiedet er sich und weg ist er. Das hatte jetzt etwas von „Speed Dating“.
Von Christoph erfahre ich später mehr Details über Abjid. Er stamme aus Indien, lebe in Kanada, sei dort Professor für Philosophie, halte viel von Schiller, Kant, Goethe etc. und Deutschland überhaupt. Er habe sogar einen Schinken von Kant dabei (jedem sein Kreuz!). Interessanter Typ, aber nix für Unterhaltungen am Abend beim Bier.
Abjid, oder so, hat eine rührende Geschichte, wie ich später höre: Er lernte eine spanische Frau kennen, die beiden verliebten sich und entschieden, nach Barcelona zu ziehen. Zuvor wollten sie zusammen den Camino laufen. Jetzt kommt‘s: Die spanische Freundin nahm sich vor dem anstehenden Camino-Walk das Leben. Abjid, oder so, hat sie einäschern lassen. Wer den Film „The Way“ gesehen hat (ich bisher noch nicht, aber viele der amerikanischen Pilger haben von dem Film erzählt), kann sich denken, was passiert: Abjid, oder so, hat die Urne mit der Asche seiner geliebten Freundin oder Frau dabei, im Rucksack! Er geht mit ihr diesen Weg bis zum Ende. Am Kap Finisterre werden sich ihre Wege trennen.
Man stelle sich diese Geschichte bei Kerzenlicht und Wein , ausführlich erzählt in der Herberge Orrison, vor. Jesus! Wer dabei nicht emotional wird, der kann auch gerne zu Hause bleiben.
Das Wetter ist heute nicht besonders gut; der Himmel ist grau, es weht ein frischer Morgenwind. Nach dem Verlassen von Roncesvalles läuft man zunächst parallel zur Straße durch einen Wald. Links vom Camino befindet sich die Straße, rechts sind Felder zu sehen. Beeindruckend ist, dass die Wolkendecke aufliegt, wie der Pilot zu sagen beliebt. Aber es ist kein dichter Nebel, es sind Wolkenfetzen, die wie große Busse an einem vorbei über den Boden gleiten. Das ist unglaublich beeindruckend.
In Auritz kauf ich mir Bananen und Wasser. In dem kleinen „Tante-Emma Laden“ ist man sehr bemüht um die Pilger und muntert sie mit Worten auf. Man sucht sogar das Gespräch. Auch wenn Kommerz dahinter stecken sollte, ist es nett.
Eine Weile n ach Auritz läuft vor mir eine kleine Dame mittleren Alters mit einem lustigen Strohhut. Sie schaut ein wenig orientierungslos. Ich weiß, wo es lang geht, und zeige ihr den Weg, ab dann gehen wir zusammen.
Sie wohnt in Barcelona, heißt Elena und hält sich nur eine Woche auf dem Camino auf. Sie ist Schriftstellerin und berichtet in ihren Veröffentlichungen über Dinge, die mit IT zu tun haben. Später zu Hause, stelle ich im Internet fest, dass sie in Spanien recht bekannt ist und häufig Interviews gibt, an Podiumsdiskussionen teilnimmt und an der Uni in Barcelona lehrt. Sie ist der dritte Pilger, zu dem ich im Laufe der Zeit eine intensivere Beziehung aufbauen werde. Ich erfahre später, dass sie Bühnenauftritte macht, in denen sie über den Camino berichtet und ich, neben weiteren zukünftigen Bekannten, bin einer ihrer Protagonisten. So werde auch ich zu einer unbekannten Berühmtheit, zumindest in Barcelona oder einem Stadtteil von Barcelona, evtl. auch nur einer Straße von Barcelona.
Wir laufen bestimmt zwei Stunden zusammen und arbeiten Themen von IT über Soziales, Wirtschaft und Politik ab. Gerade spanische Politik scheint ihr am Herzen zu liegen. Besonders die Unabhängigkeit von Katalonien. Mir ist das völlig schleierhaft, wie man unter den mir bekannten Umständen auf so eine Unabhängigkeitsidee kommen kann. Ich liefere den Einwand: „The whole world is globalizing and you are going to localize?“ Sie ist aber mit großer Leidenschaft beim Thema. Warum, abgesehen von emotionalen Gründen, die Katalanen eigenständig werden wollen und dafür ihre wirtschaftliche Existenz und womöglich die von Spanien obendrauf gefährden, will mir nicht einleuchten. Als Fremder in diesem Land steht mir kein abschließendes Urteil zu. Ich halte mich mit meinen Worten zurück.
Für mich nachvollziehbar ist ihre Begründung, die das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik betrifft. „In Spanien ist Korruption noch Alltag“, erklärt sie, „auch und gerade in der Politik.“
Ich erzähle von den vergangenen Vorwürfen gegen Herrn Wulff, was sie eher belustigt. Korruption in Spanien sehe deutlich offensiver aus. Dass jemand aus der Politik nicht bei einem Freund übernachten dürfe, selbst Jahre vor seinem prominenten Amtsantritt, sei für sie ein Knaller. Ich erkläre, dass
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