Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
Vom Netzwerk:
Erholung zu verschaffen, müßten die Fundamente der Dienstleistungsökonomie
     schon sehr belastbar sein. Sind sie es?
    6. Überblickt man den Zeitraum vom Abflauen des Nachkriegsbooms, den frühen 1960er Jahren, bis zum Absprung in den Globalismus
     in den frühen 1990er Jahren, ergibt sich für die fortgeschrittensten Ökonomien dieses Bild 367 : Der |317| prozentuale Anteil der in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten an der gesamten Erwerbsbevölkerung sank von durchschnittlich
     mehr als 20 Prozent im Jahr 1960 auf rund 5 Prozent im Jahr 1991, wobei der statistische Durchschnitt zunehmend Aussagekraft
     im konkreten erwarb. Zersplitterten die Extreme ursprünglich den Mittelwert (USA: 8,5 Prozent, Japan 30,2 Prozent), so kreisten
     sie später auf engerer Flugbahn um denselben (USA: 2,9 Prozent, Österreich 7,4 Prozent).
    Die Entwicklung des industriellen Sektors verlief abgeschwächt und in sich uneinheitlicher. Band die industrielle Produktion
     1960 noch durchschnittlich 35 Prozent der Gesamtbeschäftigten, waren es 1991 knapp 30 Prozent. Auch hier verringerte sich
     die Streuung, eine mächtige Volkswirtschaft brach jedoch den allgemeinen Trend. In Japan, dem Werkmeister der mikroelektronischen
     Revolution, erhöhte sich der relative Anteil der industriell Beschäftigten von 28,5 auf 34,4 Prozent.
    Umgekehrt proportional, ansonsten gleichlaufend zur Agrarwirtschaft der Trend im Dienstleistungsgewerbe; Wachstum auf der
     ganzen Linie und in jedem Land, von zunächst 43 Prozent im Mittel auf etwa 65 Prozent. Zwar hielt sich der Ausschlag der Extreme
     auf hohem Niveau, gab es noch 1991 Staaten wie Österreich, in denen der tertiäre Sektor gerade einmal die Fünfzigprozenthürde
     genommen hatte, dem durchgreifenden Bedeutungsgewinn der Dienstleistungswirtschaft tat das keinen Harm. Die postindustrielle
     Gesellschaft hatte formell Gestalt gewonnen.
    »Formell«, der Zusatz ist wichtig. Daß die Beschäftigten in wirtschaftlich hochentwickelten Gesellschaften heutzutage mehrheitlich
     Dienstleistungsberufen nachgehen, duldet keinen Zweifel. Wahr ist aber auch, daß ein beträchtlicher Teil dieser Dienste PRODUKTIV
     konsumiert wird; dem Herstellungssektor direkter oder vermittelter einverleibt, könnten die entsprechenden Professionen oftmals
     ebensogut unter »erweiterter Produktion« firmieren. Die Berufsstatistik, weit |318| davon entfernt, ein getreues Abbild der realen Verhältnisse zu liefern, verschleiert in ungezählten Fällen die effektive Einbindung
     von »Dienst« in »Arbeit« und leistet dadurch ungewollt der Verwechslung von Dienstleistungs- und Konsumgesellschaft Vorschub.
     Wenig wegweisend auch die Gleichsetzung von Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft. Viele Dienstleistungen zeichnen sich
     gerade nicht durch wissensintensive, sondern durch simple Operationsprofile aus. 368 Würde der produzierenden Sphäre wieder zugerechnet, was sachlich zu ihr gehört, der ohnedies mähliche Fall der relativen
     Beschäftigungsquote im Industriesektor käme womöglich zum Erliegen.
    7. Zieht man das Bruttosozialprodukt als Vergleichsmaßstab heran, ergeben sich für den Herstellungssektor der Volkswirtschaften
     noch weit günstigere Befunde. Im großen und ganzen behauptete er seinen Anteil am sachlichen Reichtum der Nationen, 369 und dies trotz rückläufiger Beschäftigungsraten. Dabei vertragen sich selbst Anteilsverluste eines beliebigen Bereichs an
     der Gesamtbeschäftigung mit einem Zuwachs an Erwerbstätigen in derselben Sphäre, vorausgesetzt, die erwerbstätige Bevölkerung
     wächst ebenfalls, und zwar noch schneller. Die Entwicklung des industriellen Sektors folgte in den zurückliegenden Jahrzehnten
     exakt diesem Muster: relativer Rückgang bei absoluter Zunahme der Beschäftigung. Krise der Lohnarbeitsgesellschaft? – Die
     entscheidende Frage lautet, ob die nominellen Beschäftigungsgewinne mit einem Anwachsen des Arbeitsvolumens im gleichen oder
     geringeren Umfang einhergehen oder ob das Arbeitsvolumen trotz höherer Beschäftigungszahlen stagniert bzw. abnimmt. Die neu
     hinzukommenden Erwerbspersonen könnten sich in ganze Stellen teilen, Teilzeitarbeit verrichten, diskontinuierlich oder saisonal
     beschäftigt sein – mehr Arbeitskräfte, gleichbleibender oder sinkender Arbeitsumfang infolge höherer Produktivität. 370
    Nehmen wir den deutschen Fall und setzen das volkswirtschaftliche Arbeitsvolumen des Jahres 1960 gleich 100 |319| Prozent, dann zieht das Jahr 1991,

Weitere Kostenlose Bücher