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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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Bedingung für die Entwicklung des allgemeinen Reichtums
     zu sein, ebenso wie die NICHTARBEIT DER WENIGEN für die Entwicklung der allgemeinen Mächte des menschlichen Kopfes. Damit
     bricht die auf dem Tauschwert ruhnde Produktion zusammen, und der unmittelbare materielle Produktionsprozeß erhält selbst
     die Form der Notdürftigkeit und Gegensätzlichkeit abgestreift. Die freie Entwicklung der Individualitäten, und daher nicht
     das Reduzieren der notwendigen Arbeitszeit um Surplusarbeit zu setzen, sondern überhaupt die Reduktion der notwendigen Arbeit
     der Gesellschaft zu einem Minimum, der dann die künstlerische, wissenschaftliche etc. Ausbildung der Individuen durch die
     für sie alle freigewordne Zeit und geschaffnen Mittel entspricht.« 394
    |337| 3. Die kühne Hypothese, als Kontrastmittel zur Aufhellung unseres eigenen geschichtlichen Standorts eingesetzt, erzwingt die
     Diagnose: Wir leben in einer Zeit des Übergangs, der kulturellen Doppelherrschaft, in einer KRITISCHEN EPOCHE. 395 Die Maßgaben der Lohnarbeitsgesellschaft behaupten ihre Vorherrschaft über das Denken, Handeln und Dasein der Menschen, obwohl
     der Produktionsprozeß sie unaufhörlich unterhöhlt, anachronistisch werden läßt; sie behaupten sie desto verzweifelter und
     hartnäckiger, je deutlicher dieser Anachronismus zu Tage tritt und nach einem neuen kategorialen System verlangt. Die unmittelbare
     Arbeitszeit, die die einzelnen auf die Schaffung des gegenständlichen Reichtums verwenden, steht in immer groteskerem Mißverhältnis
     zu dessen tatsächlichem Umfang, sagt wenig über das, was das Individuum GEMEINSCHAFTLICH mit anderen, auf einen hocheffizienten
     Apparat gestützt, während eines Tages, einer Woche, eines Monats etc. real zu leisten vermag. 396 Dessen ungeachtet bemißt sich seine Teilhabe am Reichtum nach seiner zeitlichen Präsenz, seinem leibhaftigen Eingeschlossensein
     in der kollektivierten und technisierten Megamaschine. Wer Anwesenheit nicht nachweisen kann, verliert den Anspruch bis auf
     ein nach unten offenes Minimum, selbst dann, wenn seine Anwesenheit entbehrlich war.
    Das Mißverhältnis zwischen zeitlichem Aufwand pro Person und technisch-kooperativem Gesamtertrag bestünde fort, wenn die gesellschaftlich
     notwendige Arbeitszeit gleichmäßig auf alle Arbeitsfähigen verteilt würde. Da in diesem Fall alle Erwerbspersonen erwerbstätig
     wären, besäßen auch alle geldwerte Titel auf Teile des Gesamtprodukts. Nur eben inflationierte, weil ein gegebenes, tendenziell
     sinkendes Arbeitsvolumen nunmehr die insgesamt verfügbare
workforce
engagierte. Dieselbe nominelle Lohnsumme würde an eine größere Kopfzahl ausgereicht, der Gewinn der einen, bisher Abseitsstehenden,
     wäre der Verlust der anderen, schon »Etablierten«, die zugleich mit sinkenden nominellen Bezügen |338| Reallohnverluste zu quittieren hätten. Das von sämtlichen Erwerbstätigen konsumtiv abschöpfbare Produkt bewegte sich innerhalb
     der früheren Formate.
    Die theoretisch denkbare Variante, derzufolge die zusätzlich in die Arbeitswelt Eintretenden dieselben Einkommen realisieren
     wie die »Alten«, darf unter den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen ebenso vernachlässigt werden wie die abstrakte Möglichkeit,
     daß alle in den vollen Genuß wachsender Produktivität gelangen, sei es durch wieder ansteigende Löhne, durch fallende Preise
     oder durch eine Kombination aus beidem. Das heißt aber auch: Vollbeschäftigung, zu den herabgesetzten Konditionen, verleiht
     der für den Binnenmarkt bestimmten Produktion so wenig Flügel wie dem Wachstum. Vom herrschenden Verteilungsmechanismus atomisiert
     – »Ich und meine Arbeitszeit« – können die zu einzelnen zurechtgestutzten vielen auch nicht annähernd konsumieren, was sie
     mit ihrer Arbeit produzieren. Und weil sie das nicht können, unterschreitet das effektive Produktionsvolumen das technisch-technologisch
     mögliche notorisch und eklatant wie nie zuvor in der Geschichte des Kapitalismus.
    4. Die hier angestellten Betrachtungen bewegen sich schrittweise von der Utopie zur Wirklichkeit, auf einem Problemfeld, in
     dem es in letzter Konsequenz ums Essen geht. Wie löst sich für das Gesamtkapital der Widerspruch, der aus der Bewegung der
     vielen Einzelkapitale erwächst: möglichst wenig Arbeitskräfte, möglichst viele Konsumenten? Wie verwertet der Kapitalismus
     den erzeugten Reichtum, wenn er die lebendige Arbeit rastlos minimiert, dieselbe Arbeit jedoch

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