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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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Der Mißverstand, das Arbeitsvermögen sei eine Ware wie jede andere, daher so lange im Preis herabzusetzen, bis sie Käufer
     findet, führte den Kapitalismus und die von ihm beherrschten Gesellschaften schon einmal an den Rand der Selbstzerstörung,
     vor einhundertfünfzig Jahren und in einem Teil der Welt. Im Grunde ist bereits die ungenierte Rede vom »Arbeitsmarkt« ein
     Ausweis geistiger Brutalität und ökonomischer Dummheit. Die Fähigkeit, Arbeit zu leisten, gehört zum Menschen als eines seiner
     vielen Attribute, und steht für sich genommen so wenig zum Verkauf wie seine Zeugungskraft oder seine Glaubensfähigkeit. Sie
     als Ware zu behandeln und dem Gesetz von Angebot und Nachfrage zu unterwerfen, kommt einer Vergewaltigung des Menschseins
     gleich. 429 Wer, vom Warenfetisch bezaubert, glaubt, die Nachfrage nach Arbeit dadurch beliebig ausweiten zu können, daß man sie verramscht,
     »vergißt«, daß die Arbeitskraft die einzige »Ware« ist, die andere Waren kauft. Er untergräbt genau jene Nachfrage, die er
     zu fördern vorgibt, und verfehlt das Ziel der Vollbeschäftigung desto sicherer, je blindwütiger er auf dieses Mittel setzt.
     Weniger |361| Lohn – abflauender Konsum – stockender Absatz – gedrosselte Produktion – Entlassungen bzw. Kurzarbeit – weitere Einschränkung
     der zahlungsfähigen Nachfrage usw. usf. Diese verhängnisvolle Abwärtsspirale ein zweites Mal kreisen zu lassen, diesmal im
     globalen Maßstab, tragen die »Wechsler« des Casinokapitalismus keinerlei Bedenken. Man wird sie aus dem großen Spielsaal jagen
     müssen.
    Was »unser Land braucht«, was alle Länder dieser Erde nötig haben, ist die politische Vereidigung der Wirtschaft auf die Bedürfnisse
     des Lebens. Nun befindet sich die Regierung fast überall auf der Welt in den Händen der Eigentümer, ausschließlicher als in
     der nahen Vergangenheit. Vom aktuellen Staat ist daher nichts zu hoffen, mögen sich seine Funktionäre selbst neue, supranationale
     Organe schaffen. Die Befugnis und die Macht zur Umkehr liegt bei den vielen einzelnen, bei ihrem Willen, sich miteinander
     zu verbünden. Der Umsturz der vom Staat sanktionierten Wirtschaftsgesellschaft beginnt im Kopf, mit der Wiederentdeckung der
     eigenen Urteilskraft als Keimzelle des Politischen. Menschen, die sich auf ihr Denkvermögen zurückbesinnen und dabei ihre
     Erfahrung sprechen lassen, können sich noch immer irren. Aber es sind dann wenigstens ihre eigenen Irrtümer, deren Konsequenzen
     sie ertragen müssen. Alles spricht, zum Glück, für eine Zeit der »Irrungen und Wirrungen«.
    § 45 Produzieren: Jenseits von Kapital und Arbeit
    1. »Angenommen, Frankreich behielte alle genialen Menschen, die es in Wissenschaft, Kunst und Handwerk und Gewerbe besitzt,
     verlöre aber unglücklicherweise an einem Tag Seine Königliche Hoheit, den Bruder des Königs, die durchlauchtigen Herzöge von
     Angouléme, von Berry, von Orléans und von Bourbon, die durchlauchtigen Herzöginnen von Angouléme, von Berry, von Orléans und
     von Bourbon und Ihre Hoheit, die Gräfin von Condé.
    |362| Zugleich verlöre es alle hohen Würdenträger, Staatsminister (mit und ohne Geschäftsbereich), Staatsräte und Leiter des Eingabewesens,
     alle Marschälle, alle Kardinäle, Erzbischöfe, Generalvikare und Domherren, alle Präfekten und Unterpräfekten, alle Ministerialbeamten,
     alle Richter und darüber hinaus noch die zehntausend reichsten unter den Grundeigentümern, die wie Adelige leben.
    Dieses Unglück würde die Franzosen gewiß betrüben, denn sie sind gutherzig und könnten dem plötzlichen Hinscheiden so vieler
     ihrer Landsleute nicht teilnahmslos zusehen. Jedoch bereitete ihnen der Verlust von dreißigtausend Personen, die als die bedeutendsten
     des Staates gelten, lediglich gefühlsmäßig Kummer, für den Staat wäre er kein politisches Unglück.« 430
    2. Zur Zeit ihrer Veröffentlichung, kurz vor der Pariser Julirevolution von 1830, zirkulierten diese Gedanken von Saint-Simon
     in allen fortschrittlichen Kreisen. Ob Liberale, Sozialisten oder Kommunisten – man unterschied in rebellischer Attitüde zwischen
     nützlichen und nutzlosen Funktionen und grenzte dementsprechend Menschen, die dem Gemeinwesen unentbehrliche Dienste leisteten,
     von bloßen Kostgängern, von »Parasiten« des Gesellschaftskörpers ab. In polemischem Gegensatz zur höfischen Gesellschaft,
     zu jeglicher Gesellschaft seit dem Eintritt der Menschheit ins Zeitalter sozialer

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