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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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der Zuwendung zu anderen Menschen, nah- wie fernstehenden, mit dem bürgerschaftlichen
     Engagement? Genügen diese Praktiken der Forderung etwa nicht? Und versammelt die folgende Liste nicht lauter Arbeiten im Wartestand
     ihrer gesellschaftlichen Würdigung: »Stadtteilhelferin, Fußball-Fanclub-Begleiterin, Rechercheurin in Forschungsprojekten,
     Ökologieassistenten, City-Cleaner, Lehrerassistenten, Quartiersmanagerin und Musikassistenten«? 90 Das hängt davon ab, ob sie außer der sachlichen Minimalanforderung an Arbeit auch die soziale erfüllen, nicht nur Gebrauchswerte
     im weitesten Sinn des Wortes, sondern auch Tauschwert produzieren, Profite, um genau zu sein. – Unter allen Arbeitskandidaten
     gibt »Hausarbeit« das beste Beispiel zum Verständnis der Differenz. Mit Stoffen befaßt, Gebrauchswerte bewahrend, modifizierend,
     schaffend, kommt sie der Arbeit des Fabrikarbeiters praktisch am nächsten. Nur vollbringt sie all dies, wie der Name hinlänglich
     sagt, für den HÄUSLICHEN Gebrauch, nicht zum Zwecke des Austausches, des Gewinns, und weil sie das nicht leistet, ist sie
     selbst nicht »ökonomisch«. Hausarbeit der Erwerbsarbeit anzugleichen liefe auf die Konstruktion von Arbeit-als-Ob hinaus.
    Aber genau darum geht es doch, wird man erwidern. Die moralische Aufwertung zum Beispiel der Hausarbeit soll die Fixierung
     unserer Kultur auf berufsmäßig betriebene Erwerbsarbeit überwinden und den Blick auf die Unentbehrlichkeit all jener Aktivitäten
     lenken, ohne die das Erwerbssystem keinen Augenblick existieren könnte. Erwerbsarbeit reproduziert das soziale Geflecht familiärer,
     mitmenschlicher, nachbarschaftlicher sowie noch weiter gespannter Bezüge nicht aus sich heraus, und darum ist es |98| gerechtfertigt, das Bedingende dem Bedingten gleich zu achten und ökonomisch gleich zu schätzen; das und nichts anderes ist
     die strategische Funktion des erweiterten Arbeitsbegriffs.
    2. Für den methodischen Nominalismus, der Arbeit als kulturelles Phänomen thematisiert, ein schwer zu parierender Einwand.
     Er scheint um so plausibler, als er das Gemeinwesen und seinen politischen Repräsentanten, den Staat, an ihre grob vernachlässigte
     Pflicht erinnert, außer für die Wirtschaft auch für die soziale und kulturelle Reproduktion der Individuen zu sorgen und dafür
     ausreichend Geld zur Verfügung zu stellen. Zieht sich der Staat aus der soziokulturellen Sphäre zurück, dann verlieren dort
     angesiedelte Beschäftigungen ihren abgeleiteten Erwerbscharakter; sie hören auf, »richtige« Arbeit zu sein, und werden sie
     dennoch weitergeführt, dann geschieht das auf eigene Verantwortung, aus persönlichem Engagement. Der jedesmalige Umfang der
     notwendigen Erwerbsarbeit ist niemals nur marktökonomisch bestimmt, keine fixe Größe; er hängt stets auch vom politischen
     Willen ab, öffentliche Güter und Dienstleistungen in gebührendem Umfang zu produzieren und bereitzustellen. Daß die Stadtteilhelferin
     nicht »arbeitet«, bedeutet daher unter Umständen nur, daß man sie nicht ordentlich arbeiten läßt (§ 31.8).
    Aber eben nur unter Umständen. Denn aus ihrem Nützlichkeitsprofil allein geht »Arbeit« nicht hervor. Verhielte es sich so,
     dann wäre jede sinnvolle Aktivität automatisch Arbeit und hätte Anspruch auf Entgelt, dann geschähe jedem ein Unrecht, der
     etwas tut, ohne dafür bezahlt zu werden. »Tun« wird »Arbeit« dann und nur dann, wenn es als gesellschaftlich notwendig anerkannt
     wird und wenn diese Anerkennung politische Folgen zeitigt. Die Anwartschaft auf »Arbeit« durchzusetzen fällt um so leichter,
     je überzeugender der Anspruch vorgetragen werden kann. Er überzeugt dort am stärksten, wo er die elementaren Notwendigkeiten
     des menschlichen Daseins und des gesellschaftlichen Zusammenlebens |99| für sich sprechen lassen kann. Gute Bildungschancen für alle, qualitativ hochstehende und erschwingliche Gesundheitsvorsorge,
     intensive wie kompetente Betreuung von Kindern, Alten und Gebrechlichen, die sorgsame Hege öffentlicher Einrichtungen und
     Plätze – das sind starke Argumente zugunsten des Berufs, für »Tun« als »Arbeit«. Das Standardargument des Marktsystems, das
     nur jenen Aktivitäten Arbeitscharakter attestiert, die Mehrwert schaffen, setzt die Nützlichkeit einer Beschäftigung, ihren
     ökonomischen Sinn, anmaßend mit ihrer Profitabilität gleich.
    3. Je weiter man sich in der Skala menschlicher Aktivitäten zu reinen Tätigkeiten hin

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