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Buerger, ohne Arbeit

Titel: Buerger, ohne Arbeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Engler
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neuen
     Skeptizismus vorbildlich verkörperte. Politische Folge- und ideologische Glaubensbereitschaft waren an der Wurzel vernichtet,
     die Absage an einen vagen Idealismus, an intellektuelle Planungs- und Ordnungsschemata, die das Ganze in einem Griff zu erfassen
     glaubten, weit verbreitet. Geschärfter Wirklichkeitssinn, unerbittliches Realitätsverlangen, Rückbesinnung auf Verhaltenssicherheit
     und überprüfbares Vertrauen überwogen. Der Soziologe diagnostizierte (und befürwortete) diese Geisteshaltung, diesen »kritischen
     Positivismus der Lebenssicherheit, der lieber im Kleinen, aber Handfesten verharren, als sich auf unüberprüfbare Verallgemeinerungen
     einlassen, der sich nicht bluffen, nicht verführen lassen will«. 233 Er sah sich nur allzubald herausgefordert: von der Jugend. Die fand wieder Gefallen an der Geschichtsphilosophie, verwarf
     das »falsche Ganze« im Namen abstrakt-revolutionärer Ideale, glaubte leidenschaftlich an die Veränderbarkeit der Welt und
     urteilte die Skeptiker der Utopie in Bausch und Bogen ab.
    8. »Auf liberale Weise konservativ zu werden wurde möglich, als die Bundesrepublik – die keine versäumte Revolution, |227| sondern eine stabile Demokratie ist – gegen den durch das Jahr 1968 symbolisierten Versuch, sie revolutionär abzuschaffen,
     verteidigt werden mußte: das – also der Modernitätstraditionalismus zugunsten der liberalen Demokratie – wurde eine der wichtigsten
     Aufgaben meiner Generation.« 234 »Modernitätstraditionalismus« – ein schönes Wort, das auch Oakeshott hätte prägen können.
    Für Odo Marquard ist es die Chiffre eines zeitgemäßen Konservatismus, der nicht nur Eigentum und Ordnung sanktioniert, sondern
     ebenso die politischen und kulturellen Errungenschaften der bürgerlichen Epoche, Demokratie und Pluralismus, Vielstimmigkeit
     des öffentlichen Lebens, die Individualität des Menschen, kulturelle Toleranz. Der Konservative in seinem Sinn ist liberal,
     weil er nicht irgendeine Tradition, sondern die der MODERNE pflegt, und er ist konservativ, weil er sie gegen ihre linken
     Widersacher in Schutz nimmt, konsequenter als jeder andere. Er ist darüber hinaus konservativ, weil er einen scharfen Blick
     für jene Ressourcen der Moderne besitzt, die erschöpfbar sind, sich nicht von selbst erneuern. Er verteidigt die bürgerliche
     Moderne stets auch gegen ihre bedenkenlosen liberalen Übertreiber. Neues, Veränderung setzt immer Lebensformen, Üblichkeiten,
     Traditionen voraus, und für den auf konservative Weise Liberalen kann es stets nur darum gehen, einen TEIL der Üblichkeiten
     zu verlassen. Kollektiven Erlösungsphantasien steht er ebenso ablehnend gegenüber wie falschem »Krisenstolz« und radikalen
     Marktrezepten, die das Individuum aus allen Bindungen und Verbindlichkeiten lösen. Er ist kein Reformist, weder ein sozialistischer
     noch ein liberaler, »partialkritisch, nicht totalkritisch«: »Die Vorstellung, jetzt ist der absolute Augenblick, in dem die
     Menschheit gerettet werden muß, und die Zuspitzung der Gegenwart zu großen Entscheidungssituationen zwischen Allem und Nichts:
     das geht mir viel zu weit.« 235 Dem Sieger der Geschichte, der bürgerlichen Moderne, schlichte Kränze flechten, das ist nun wirklich »very british«.
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§ 28 Pragmatismus oder Prinzipienlosigkeit?
    1. Die Konstruktion von Idealtypen ist soziologisch sinnvoll und geboten, um den fließenden Übergängen, graduellen Abstufungen,
     Mischformen, Überschneidungen des historisch-sozialen Geschehens plastischere Konturen zu verleihen, Konturen, deren Erkenntniswert
     darin besteht, daß sie übertreiben, sofern sie treffend übertreiben, den Blick auf das Wesentliche lenken, auf Antithesen,
     Polarisierungen, Bruchlinien, Konflikte, die dem Auge, das den Fluß nur mitvollzieht, notwendigerweise verschlossen bleiben.
    Aus demselben Grund verbietet sich ein einfacher Rückschluß vom Idealtypus, der die Wirklichkeit repräsentiert, auf die konkreten
     Gegebenheiten, die empirische Realität. So ist der Idealtypus des angelsächsischen Konservativen keine freie Erfindung, auch
     kein bloßes Abbild konservativer Selbststilisierung, aber ein wenig übertreibt er in diese Richtung schon. In der Realität
     erweist sich dieser Konservative als durchaus »zupackendes Wesen«, das seine oppositionelle Reserve dem Regieren gegenüber
     sehr wohl suspendieren kann. Wenn es einem »guten« Zweck dient, kann er zum fanatischen Reformer werden

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