Buffy - 22 - Spike & Dru
Furcht ersetzt ihre Glückseligkeit,
und dann verschmelzen die beiden Gefühle irgendwie miteinander. Ihr Herz
schlägt schneller. Das Untier durchpflügt das Wasser und kommt auf sie zu.
Seine Haut ist bleich und seine Stirn nach vorn gewölbt. Entschlossen nähert es
sich ihr, um sie zu verschlingen, mit offenem Mund und riesigen Reißzähnen.
Es ist kein Hai.
Sein Körper ist drahtig, aber kräftig und gefährlich. Sein Haar ist so
blond, dass es fast weiß wie das eines Albinos ist.
Es ist ein Vampir.
Und er verfolgt sie. Weder das Meer wird ihn aufhalten noch das
dazwischen liegende Land. Er wird sie schnappen, es ist nur eine Frage der
Zeit. Schaudernd stellt Yanna fest, dass der Gedanke sie nicht im
Geringsten ängstigt. ..
Und wachte auf.
»Oh Gott«, flüsterte die Wächterin.
Über ihr rief Sophie mit furchterfüllter Stimme ihren Namen. Mr. Rubie
und Mr. Haversham waren ebenfalls da und blickten auf sie hinunter, wie sie
auf dem Boden der Kabine des Bootes lag.
»Miss Narvik! Ist alles in Ordnung?«, fragte Haversham besorgt.
»Sie ist eine Seherin, Kenneth. Der Zeitpunkt ist ungünstig, aber ihr
Leben ist sicherlich nicht in Gefahr. Lesen Sie Ihre Missionsberichte nicht
mehr?«, tadelte Rubie ihn.
Yanna zuckte bei seinen Worten zusammen. Dass sie eine Seherin war,
mochte nicht lebensbedrohlich sein, aber es bedeutete auch nicht, dass damit
keine Gefahren verbunden waren. Seit sie die Gabe der Voraussicht
entwickelt hatte – so vage viele ihrer Visionen auch sein mochten –, war
Yanna streng ermahnt worden, sie unter Kontrolle zu halten. Ihr eigener
Vater hatte sie vor dieser Gabe gewarnt, als sie noch sehr jung gewesen war.
»Die meisten Seher, die ich gekannt oder von denen ich gehört habe, sind
am Wahnsinn gestorben«, hatte der alte Mann gesagt, während sich seine
buschigen weißen Brauen besorgt über seinen durchdringenden schwarzen
Augen zusammenzogen. »Sei vorsichtig, Mädchen. Du siehst Dinge, die
jenseits dieser Welt liegen. Nach einer Weile kann es sein, dass das, was
dich an diese Welt kettet, zerbricht, dass diese Bande zerreißen und du in
den Wahnsinn abdriftest, Yanna. Nur die Seher mit der stärksten
Willenskraft können diesem Schicksal entgehen.«
Yanna erinnerte sich nur zu gut an diese Worte, und die Erinnerung
machte ihr Angst. Denn mit jeder neuen Vision spürte sie, wie sie mehr und
mehr den Boden unter den Füßen verlor. Sie hatte sich sehr bemüht, ihre
besondere Fähigkeit vor Sophie zu verheimlichen. Die Jägerin kannte das
mögliche Schicksal, das Yanna als Seherin drohte, und Yanna wollte auf
keinen Fall, dass das Mädchen den Glauben an sie verlor.
Sie würde dagegen ankämpfen. Es kontrollieren. Sich fest an die reale
Welt klammern. Dazu war Yanna fest entschlossen.
Oder zumindest war sie es gewesen – vor dieser Vision. Sie traf sie bis ins
Mark und ließ die Gesichter um sie herum wie fahle Geister oder wie die
letzten blassen Bilder eines Traumes erscheinen, aus dem sie erwachte. Ihr
Herz hämmerte, und sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten.
Sophie und die Ratsmänner standen noch immer über ihr. Sorge spiegelte
sich in ihren Gesichtern. Yanna wollte etwas
sagen, aber ihre Zunge gehorchte ihr nicht.
Sie hatte das Gefühl zu ertrinken. Sie konnte noch immer das Wasser in
ihrem Mund schmecken, konnte noch immer das Bild des Vampirs sehen,
das sich in ihr Bewusstsein eingebrannt hatte, konnte sich vorstellen, wie es
sich anfühlte, wenn sich seine Reißzähne in das weiche Fleisch ihrer Kehle
bohrten ...
... und sie sehnte sich danach. Gott helfe mir, ich will mich ihm hingeben.
Aber nein, das war nur die Vision. Nicht ihr eigener Wille, ihr rationales
Ich. Aber wer hat die Kontrolle? Die Macht in mir, die unbewusste Stimme
der Seherin, oder das andere, das wahre Ich?
Was ist mein wahres Ich? Wie kann ich sicher sein?
Trotz ihrer quälenden Gedanken gelang es Yanna, sich wieder auf die
Welt um sie herum zu konzentrieren. Als Sophie bemerkte, dass sie sich
besser zu fühlen schien, half sie ihr beim Aufsitzen. Doch Yanna musste
sich noch an den Türrahmen lehnen.
»Du bist nicht verletzt«, sagte Sophie auf Dänisch und mit hörbarer
Erleichterung. »Du bist nur mit dem Kopf aufgeschlagen, als du umgekippt
bist.«
Jetzt, als das Mädchen es erwähnte, spürte Yanna das leise Pochen an
ihrem Hinterkopf. Wahrscheinlich bildete sich dort gerade eine Beule.
»Du hattest eine Vision?«,
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