Bufo & Spallanzani
figem Blick ansah. »Los«, befahl der Chauffeur.
Guedes sah sich den Chauffeur an, der nun auf und ab ging. Ein großer Teil seines Körpervolumens war Fett. Den Hintern den ganzen Tag auf dem Autositz, dachte Guedes, und alle Naslang einen Happen, den der Hausdiener ihm brachte. Aber irgendwann mußte er recht sportlich gewesen sein, seine Bewegungen waren geschmeidig, und er hielt sich kerzengerade.
Der Hausdiener kehrte in Begleitung eines vierzigjährigen, braungebrannten, schlanken Mannes zurück. Er begrüßte Guedes und entließ die anderen mit einem knappen »Ihr könnt gehen«. Dann faßte er den Polizisten am Arm und führte ihn durch den Garten zu einer Bank, die unter einem riesigen Oitibaum stand. Mit einer Handbewegung forderte er den Polizisten auf, sich zu setzen. Guedes, der an diesem Tag schon viel zu Fuß gegangen und dessen Hemd völlig durchgeschwitzt war, nahm erleichtert Platz. Im Schatten und im kühlen Lufthauch fühlte er sich rasch wohler.
»Ich danke Ihnen für alles, was Sie für uns getan haben«, sagte Eugênio Delamare mit einem traurigen Lächeln. »Sie können sich vielleicht vorstellen, was für ein Schlag, welch furchtbare Überraschung das für mich war, von einer Reise zurückzukommen und zu erfahren, daß meine Frau sich das Leben genommen hat und in einem verdreckten Fach im Leichenschauhaus liegt. Ich befinde mich in einem Zustand tiefster Trostlosigkeit, wir hingen sehr aneinander, wir haben keine Angehörigen, nur wir beide allein … Ein schwerer Schlag, den ich mit niemandem teilen kann, den ich auch mit niemandem teilen will … Wir waren immer sehr auf uns konzentriert, haben immer sehr zurückgezogen gelebt … « Eugênio strich sich mit den Fingern über die trockenen Augen.
»Ihre Frau hat sich nicht das Leben genommen. Sie wurde ermordet.«
»Was?« Eugênio Delamare stand überrascht von der Bank auf.
»Ermordet«, wiederholte Guedes.
»Das kann nicht sein!« Eugênio setzte sich wieder; die goldbraune Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. »Aber man hat mir doch gesagt, daß sie sich das Leben genommen hat. Der Minister persönlich hat mit mir gesprochen.«
»Vermutlich hatte der Minister noch nicht die Berichte des Gerichtsmediziners und der Spurensicherung gesehen«, sagte Guedes.
»Hat man irgendeine Gewaltanwendung festgestellt … Vergewaltigungsspuren, etwas in der Art?«
»Nein. Sie starb an einem Schuß ins Herz. Der Mörder hat ihren Körper nicht angefaßt. Nichts wurde gestohlen. Der Revolver befand sich in ihrer Hand. Das alles hat uns zu der fälschlichen Annahme verleitet, es handele sich um einen Selbstmord.«
»Hat die Polizei jemanden verhaftet? Verdächtigt sie jemanden?« Delamare hatte sich schon wieder in der Gewalt.
»Dazu war noch keine Zeit. Wir haben erst heute festgestellt, daß es kein Selbstmord war.«
Delamare sah Guedes in die Augen. »In dieser Stadt gibt es sehr viel Gewalt.« Seine Stimme klang jetzt wie die eines Geschäftsmannes. »Ich habe ihr immer gesagt, daß sie sehr vorsichtig sein müsse, aber sie hörte nicht auf mich und fuhr immer wieder allein in ihrem Wagen los … Aber daß sie überfallen werden könnte, so wie es jetzt geschehen ist, dieser Gedanke ist mir nie gekommen.«
»Ich glaube nicht, daß sie überfallen wurde«, sagte Guedes.
»Natürlich wurde sie überfallen.«
»Ich glaube, Sie haben mich nicht richtig verstanden. Es wurde nichts gestohlen.«
»Sie haben mich nicht richtig verstanden. Ich bin der Meinung, daß sie überfallen wurde, verstehen Sie. Ich will keinen Skandal. Und was spielt das für eine Rolle, ob derjenige, der sie umgebracht hat, ein Verrückter oder ein Straßenräuber war? Sie ist tot und wird davon, daß wir das rauskriegen, nicht wieder lebendig.« In anderem Tonfall: »Bitte, Inspektor … Wie war doch Ihr Name?«
»Guedes.«
»Inspektor Guedes, ich werde mich auch erkenntlich zeigen … Was ich von Ihnen verlange, ist eine Kleinigkeit, aber meine Dankbarkeit wird sehr groß sein.«
Guedes hüllte sich in Schweigen, was Delamare als Zustimmung zu dem, was er gerade gesagt hatte, auslegte. »Ich will Ihnen erklären, was ich von Ihnen erwarte. Formulieren Sie diese Gutachten, Meldungen, Unterlagen, diesen ganzen Kram so, daß daraus eindeutig hervorgeht, daß meine Frau von einem Straßenräuber ermordet wurde. Falls irgendein Vorgesetzter Ihnen Schwierigkeiten machen will, keine Sorge, ich bin mit dem Minister befreundet. Und mit noch höher stehenden
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