Bufo & Spallanzani
den Notizen ansah, die ich bei Ceresso gemacht hatte, stolperte ich über ein Mädchen, das auf der Freitreppe saß. Hätte sie mich nicht festgehalten, wäre ich die Stufen bis auf die Straße hinuntergepurzelt.
»He Zombie, paß auf, wo du hintrittst«, sagte sie.
»Hast du Zombie gesagt?« fragte ich aufgeregt.
»Ja, Zombie«, sagte sie.
»Nicht zu fassen, daran habe ich gerade gedacht.«
»An was?«
»An Zombies.«
»Und bist dann selbst einer geworden«, sagte sie.
Sie war wie ein echtes Hippiemädchen von früher angezogen, langer Rock, struppige Haare, Sandalen, Umhängetasche aus Stoff, und sie roch gut unter den Achseln.
»Ich heiße Minolta.«
»Irgendein Typ, der zur internationalen High-Society gehört, hat seinen Sohn Grammophon RCA Victor getauft.«
»Ein hübscher Name«, sagte sie.
»Ich heiße Ivan Canabrava.«
»Canabrava. Noch besser als Grammophon.«
»Studierst du?«
»Studieren? Ich hab’ schon alles studiert, was ich studieren mußte. Jetzt denke ich. Ich bin Dichterin. Und du? Was hast du hier in der Bibliothek gemacht?«
»Was über Hexerei nachgesehen.«
»Ich schwärme für Hexereien«, sagte Minolta.
Die Bibliotheksangestellten kamen heraus, und die Bibliothekarin, die gesagt hatte, daß sie mir helfen wollte, starrte Minolta und mich an. Ich lächelte ihr zu, aber sie reagierte nicht.
»Wie wär’s, wenn wir ein Bierchen trinken gehen und du erzählst dabei von Hexerei?« fragte Minolta. »Aber du mußt bezahlen, ich bin blank.«
Auf ihren Vorschlag stiegen wir am Platz Cinelândia in den Bus und fuhren nach Gloria. »In diesem Lokal gibt’s superedles Bier vom Faß.«
Dann redeten wir aber doch nicht über Hexer. Minolta war an diesem Tag aus ihrem Zimmer rausgeschmissen worden. Sie wollte auf der Freitreppe der Bibliothek übernachten, in der Nähe dieser Unmenge Bücher, weil ihr das ein Gefühl der Sicherheit gab. »Bücher haben eine gute Ausstrahlung.«
»Willst du nicht bei mir schlafen, bis du was gefunden hast?«
»Kommt drauf an. Ich weiß nicht. Versuchst du gerade, deine weibliche Seite zu entwickeln?«
»Was?«
»Ich hab’ diese Männer satt, die ihre weibliche Seite entwickeln wollen. Sieh mich mal an.«
Ich sah sie an. Sie hatte einen Flecken auf der Lederhaut, das Ergebnis von einem Vormittag Lesen am Strand in praller Sonne.
»Deine weibliche Seite ist ausdruckslos, ohne Substanz und Wurzeln. Gib’s auf. Entwickle deine männliche Seite, das bringt vielleicht was«, stellte Minolta fest.
»Du hast noch nicht geantwortet. Du kannst bei mir wohnen.«
»Hast du eine Schreibmaschine? Ich kann nur auf der Maschine schreiben.«
»Habe ich«, sagte ich.
»Dann ja.«
»Und deine Sachen?« fragte ich.
»Meine Sachen sind hier«, sagte sie und drückte sich ihren Zeigefinger auf der linken Seite auf die Brust, »und hier.« Eine gewebte Umhängetasche, sie sah nach indianischem Kunsthandwerk aus.
Wir waren gerade nach Hause gekommen, da klingelte das Telefon. Ich war im Badezimmer, und Minolta nahm ab.
Es war Zilda.
»Wer war die Frau, die abgenommen hat?« fragte Zilda.
»Minolta.«
»Minolta? Das ist eine Fahrradmarke«, sagte Zilda.
»Sie hat gesagt, daß sie so heißt«, sagte ich.
»Und was macht sie bei dir?«
»Sie mußte aus ihrem Zimmer raus und bleibt hier, bis sie was gefunden hat.«
»Kaum habe ich mich umgedreht, da holst du dir schon die erstbeste streunende Hündin, die dir auf der Straße begegnet, ins Haus«, sagte Zilda. Ich glaube, sie hatte vergessen, daß sie mich verlassen hatte.
»Sie ist ein nettes Mädchen«, sagte ich.
»Nettes Mädchen. Nett wofür? Du Idiot, du hältst dich für besonders schlau, aber dich kann jede ordinäre Betrügerin reinlegen. Setz dieses Weibsstück auf die Straße, sonst siehst du mich nie wieder.«
»Mein Schatz, das kann ich nicht. Sie kann nirgends hin. Außerdem habe ich ihr schon angeboten, hier zu wohnen, jetzt kann ich keinen Rückzieher machen.«
»Doch.«
»Nein, das kann ich nicht.«
»Dann adieu! Adieu! Aber diesmal wirklich, du Trottel, du Schwachkopf, du Vollidiot!«
»Sprich nicht so, mein Schatz.«
»Geh zum Teufel. Meinetwegen kannst du krepieren!« fauchte Zilda und legte auf.
Zilda war sehr nervös, aber sie war kein böser Mensch. Sie meinte das alles gar nicht so, aber sie verlor leicht den Kopf, und dann sagte sie Sachen, die sie eigentlich nicht sagen sollte.
»Wer war das?« fragte Minolta.
»Zilda. Wir haben hier zusammen gewohnt, sie hat sich mit
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