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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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mein Wort, daß es keine Notizen über Sie waren«, sagte ich. Wäre nicht Roma gewesen, die mich mit rätselhaftem Blick ansah, so daß mein Herz entflammte, wäre ich schon längst in meinen Bungalow gegangen.
    »Können wir das mal sehen?« fragte Euridíce.
    »Ich zeige nicht gern ein Buch, bevor es fertig ist.«
    »In drei Tagen, dann zeigt er es«, sagte Orion.
    »Schreiben Sie ein ganzes Buch in drei Tagen?« fragte Suzy.
    »Nein, nicht in drei Tagen.«
    »Wie viele Tage braucht man, um ein Buch zu schreiben?« fragte Carlos, der bis dahin geschwiegen hatte.
    »Das kommt drauf an. Flaubert hat für Madame Bovary fünf Jahre gebraucht. Und jeden Tag stundenlang gearbeitet, ohne einen Tag Pause.«
    »An so einem Büchlein?« fragte der Maestro.
    Ich wollte schon im Gegenangriff über Mozart herziehen, aber das kam mir doch zu albern vor.
    »Dostojewski hingegen hat Der Spieler in dreißig Tagen geschrieben«, sagte ich.
    »Früher wurde auf Abendgesellschaften ein Motto vorgegeben, und der Dichter verfaßte aus dem Stegreif ein Gedicht mit Reim und Versmaß. Was wäre wohl, wenn man so Musik komponieren würde, ruckzuck, wie Pommes Frites?« sagte Orion.
    »Wenn ich Ihnen ein Motto gebe, würden Sie dann dazu ein Gedicht schreiben?« fragte ich.
    »Ein Gedicht wohl kaum. Mir persönlich sagt Lyrik nicht zu. Aber einen Prosatext, den kann nicht nur ich, sondern jeder hier von uns ohne Schwierigkeiten schreiben.«
    »Ich stimme dem Maestro zu«, sagte Roma in scherzhaftem Ton, »Tanzen ist auch schwieriger als Schreiben. Geben Sie mir ein Motto, und ich schreibe einen Text.« Sie sah mich an, als wollte sie sagen, ich möchte mal sehen, wie Sie einen entrechat oder auch nur einen simplen tour en l’air tanzen. Dann sah sie Vaslav an, und beide lachten amüsiert.
    »Wer fühlt sich sonst noch befähigt?« fragte ich.
    »Ich kann keine Rechtschreibung«, sagte Euridíce.
    »Die kann keiner, stimmt’s? Die Rechtschreibfehler der Schriftsteller korrigieren die Lektoren«, sagte Orion.
    »Dann machen wir also ab, daß Portugiesischfehler nicht bewertet werden«, sagte ich.
    »Nein, ich mache nicht mit«, sagte Euridíce.
    »Aber ich«, sagte Suzy.
    »Juliana?« fragte ich.
    »Mein Metier ist Singen.«
    »Was ebenfalls schwieriger ist als Schreiben«, sagte ich, ehe mir ein anderer zuvorkam.
    »Vaslav?«
    »Ich trete nie gegen meine Frau an.«
    »Carlos?«
    »Nein, danke. Im Gegensatz zu allen anderen finde ich Schreiben sehr schwierig.«
    »Also gut«, sagte ich, »ich möchte, daß Sie feierlich versprechen, niemandem zu sagen, welches Thema Sie bekommen haben.«
    Trotz des Maestros Mißmut war vergnügte Stimmung aufgekommen. »Ich schwöre«, sagte Roma, »daß nicht einmal Vaslav erfahrt, welches Thema ich habe.«
    »Vaslav darf es wissen«, sagte ich, »aber niemand anders.«
    Ich zerschnitt ein Blatt von meinem Notizblock in drei Streifen und schrieb die Themen darauf. Ich faltete die Streifen zusammen und mischte sie in meinen muschelförmig zusammengelegten Händen. Dann reichte ich jedem einen gefalteten Papierstreifen. Alle sahen sofort nach. Orion und Roma schienen in größte Verwirrung zu geraten, als sie das Thema lasen, das ich ihnen gegeben hatte, vor allem Roma, sie wurde blaß und fing an zu zittern. Den Grund dafür sollte ich erst sehr viel später erfahren. Sie schien sich zu fangen, sah zu Vaslav und schwankte, ob sie ihm den Zettel zeigen sollte, den sie in ihrer zitternden Hand hielt. Schließlich reichte sie ihm das Papier und sah ihn ängstlich an. Die gelassene Reaktion ihres Mannes schien sie zu beruhigen.
    »Oh, kann ich meins tauschen?« fragte Suzy.
    »Nein. Man darf die Zettel nicht tauschen und auch keine anderen Themen geben. So war das doch bei den Abendgesellschaften, nicht wahr, Maestro?«
    »Ja«, sagte Orion.
    Roma flüsterte ihrem Mann irgend etwas ins Ohr, hakte sich bei ihm unter, und leise sprechend gingen sie weg.
     
    Was die anderen Gäste im Laufe des Nachmittags machten, weiß ich nicht. Ich zog meinen seidenen Pyjama an und legte mich aufs Bett, das noch bequemer gewesen wäre, wenn es etwas länger gewesen wäre. Schlafen, wie schön! Schlafen, essen und lieben, die Wonnen des Lebens.
    Ich räkelte mich gerade, da klopfte es an der Tür. Es gibt Menschen, die brauchen nur ein Telefon klingeln zu hören, und schon fühlen sie sich verpflichtet, dranzugehen, auch wenn es nicht ihr eigenes ist. Andere rennen zur Tür und machen auf, sobald sie die Türglocke hören. Ich

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