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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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kommen in allen Gegenden Brasiliens vor, hauptsächlich dort, wo die Natur noch nicht vollends kaputtgemacht worden ist. Und hier, im Paradies des Refúgio do Pico do Gavião, lebten bestimmt zumindest Giftschlangen, Lanzenottern und Schauerklapperschlangen, deren schändlicher wissenschaftlicher Name Crotalus terrificus lautet. Der Schrecken der Affen und Frauen. Die Affen plagen, wie wir alle wissen, dreierlei Ängste: die Angst zu fallen, die Angst vor der Dunkelheit und vor allem die Angst vor Schlangen. Diese Angst der Affen und der Frauen könnte eine uralte Reminiszenz unseres Reptiliengehirns sein. Wir Männer und Frauen sind Reptilien, die zu Primaten geworden sind und seitdem ihre allerersten Ursprünge leugnen. Vielleicht schreibe ich eines Tages darüber: Die Tatsache, daß es in unserem Gehirn einen »Reptilien-Komplex« genannten Teil gibt, der nach Ansicht der einen für die »menschlichere« Seite unseres Verhaltens verantwortlich ist, nach Ansicht anderer für die »animalische«, hat mich schon immer beschäftigt. In dem Prospekt stand auch noch eine Anweisung, wie man die Gaslampen anzündete, zu welchen Zeiten gegessen wurde und welche Ausflüge geplant waren.
    Ich duschte. Der Gasboiler funktionierte nicht richtig, das Wasser wurde nicht warm genug, aber ich wurde vom Duschen noch hungriger. Ich zog mich an und beschloß, zum Haupthaus zu gehen und nachzusehen, wie es mit den Vorbereitungen zum Mittagessen stand. Das Essensproblem machte mir zu schaffen. Da ich ein Schlemmer war, aß ich genauso gern Ikra-Kaviar wie einen Teller schwarze Bohnen. Aber das Essen mußte schmackhaft sein, nichts ärgerte mich so sehr wie schlecht zubereitete Gerichte (unabhängig davon, ob feine oder einfache Küche).
    Ein kleiner Pfad führte vom Bungalow zum Weg, den ich im Jeep gekommen war. Dort war einer Hinweistafel mit Zeichnung zu entnehmen, wie man zum Haupthaus kam. Der Himmel war wolkenlos. Ich schlenderte in der Sonne, atmete die reine Luft und empfand dabei ein angenehmes Gefühl von Sinnlichkeit und Energie.
    Das Haupthaus wirkte verlassen. Niemand war da, weder auf der großen Terrasse noch im Speisesaal, wo die Tische bereits gedeckt waren. Dona Rizoleta und eine zweite, dicke Frau mit rotem Gesicht schufteten vor einem riesigen Holzherd, einem schwarzen, eisernen Apparat von großer Schönheit. Den Töpfen entströmte köstlicher Essensduft. Die physischen Begierden sind eng miteinander verknüpft. Der Geruch und der Anblick dieser dampfenden Töpfe weckten in mir Sehnsucht nach weiblicher Gesellschaft. Wie schön, wenn in diesem Augenblick zum Beispiel Roma gekommen wäre.
    Ich ging auf die Terrasse; sie war noch immer leer. Ich setzte mich in einen der segeltuchbespannten Liegestühle, die wie an Deck eines Schiffes aufgereiht dastanden, und war enttäuscht, daß ich Roma nicht angetroffen hatte. Ich versuchte, an Bufo & Spallanzani zu denken, schließlich war ich zum Schreiben zum Refúgio gekommen und erst in zweiter Linie, um mich in Askese zu üben, vorübergehend auf eine der körperlichen (und auch seelischen, warum nicht?) Freuden zu verzichten, nämlich auf Sex. Aber diese Düfte in der Küche hatten meine Willenskraft gebrochen. Die glatte Muskulatur meiner inneren Organe, meine endokrinen Drüsen zogen sich in vorweggenommenem Entzücken über den köstlichen Schmaus zusammen. In diesem Augenblick erschien Dona Rizoleta auf der Terrasse und sagte, das Mittagessen sei fertig. Ich beeilte mich, an den Tisch zu kommen. Der Raum war noch immer leer. Das war mir egal. Wenn ich Leckerbissen verschlinge, denke ich nicht an Frauen, und umgekehrt. Ich begann mit der Kohlrabisuppe! Danach gegrillte Forellen und schließlich Zickleinbraten mit Broccoli! Während des Essens stieg in meinem immer voller werdenden Magen ein glückliches Gefühl von Heiterkeit, Seligkeit und Fröhlichkeit auf. Als ich den Broccoli aß, der, wie ich anschließend hörte, am selben Morgen vor Sonnenaufgang noch taubenetzt gepflückt worden war, hätte ich am liebsten geweint. Zart, von makellosem Grün und einem sanften Geschmack, der perfekt mit dem hinreißend gebräunten Zickleinbraten harmonierte. Später erklärte mir Trindade, da sie keinen Kühlschrank hatten (sie hätten einen gasbetriebenen benutzen können, wollten es aber nicht), seien die von ihnen verwendeten Lebensmittel immer frisch. Die Tiere – Zicklein, Kaninchen, Hähnchen – wurden am selben Tag verzehrt, an dem sie geschlachtet wurden; die Fische

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