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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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schlimmer der, gekauft werden zu müssen. Seine Unabhängigkeit damit in Einklang bringen zu müssen, daß er konsumiert wird. Kafka ist gut, weil er nicht geschrieben hat, um gelesen zu werden. Shakespeare andererseits ist gut, weil er mit einem Seitenblick auf den Shilling, den er von jedem Zuschauer kassierte, geschrieben hat (vgl. Panofsky). Genausowenig, wie man das Theater allein dadurch retten wird, daß man den Mut hat, Stücke zu schreiben, die keiner sehen will, wird man die Literatur allein dadurch retten, daß man den Mut hat, noch mehr Bücher à la Finnegans Wake zu schreiben.«
    »Schuld an dem derzeitigen Verfall der Literatur – Sie stimmen mir doch zu, daß die Literatur sich im Verfall befindet, oder? – sind die Schriftsteller selbst«, sagte Orion.
    »Ja. Schriftsteller sind heute auch nicht mehr das, was sie mal waren«, sagte ich ironisch.
    »In einem Interview mit Borges habe ich gelesen, daß er stolz darauf ist, niemals ein kompliziertes Wort geschrieben zu haben, das seine Leser in einem Wörterbuch nachschlagen müssen. Kompliziertes Geschwätz nützt meines Erachtens nur diesen französischen Philosophen, die zyklisch in und aus der Mode kommen« (wie der Anzug dieses Polypen Guedes, dachte ich) »und die, weil sie nichts zu sagen haben, sich lieber hinter einem kryptischen Wortschwall verbergen; so wie die Ärzte ihre Rezepte in unleserlicher Schrift schreiben, um sich mit noch mehr Prestige zu salben.«
    »Mich kann man auch ohne Hilfe von Wörterbüchern lesen«, sagte ich.
    »Protohand, Hybris«, warf Orion ein.
    »Die Hand der Kröte war die erste fünffingrige Hand, die es im Tierreich gab. Eine Protohand, allerdings. Hybris ist ein schönes hellenisches Bild. So was lieben die Leser.«
    Vielleicht hatte Orion recht damit, daß jeder Idiot Schriftsteller werden konnte, sofern er nur ein schamloser Exhibitionist mit einem großen Ego war. Und da saß nun ich und las ein paar Seiten aus meinem Roman vor, einzig um mich vor Roma aufzuspielen, ein paar Seiten, auf denen ich mir die größte Mühe gegeben hatte, den Eindruck zu erwecken, ich beherrschte nicht nur die schwierige Kunst des Schreibens, sondern sei dazu noch intelligent und gebildet. Daß ein Schriftsteller gut informiert ist, ist einen Scheißdreck wert. Als ich Tod und Sport– Todeskampf als Leitgedanke schrieb, hatte ich meinen Computer mit Tausenden von Informationen gefuttert – alles, was ich in Büchern von anderen las, die das ihrerseits in Büchern von anderen gelesen hatten, et cetera ad nauseam. Der Computer speicherte diese gewaltige Datenmenge unter den zahllosen Stichwörtern, die mich interessierten, und während ich schrieb, brauchte ich nur auf eine oder zwei Tasten zu drücken, und innerhalb einer Sekunde erschien die gewünschte Information im richtigen Augenblick auf dem Bildschirm. Tod und Sport ist nichts anderes als eine riesige Patchworkdecke aus Tausenden von kleinen Stoffresten, die, gut vermengt und zusammengefügt, wie ein Original wirken.
    »Mir hat der Trick gefallen, daß man erst nach einer Weile merkt, daß Bufo und Marina Kröten sind«, sagte Carlos, wie üblich mit tonloser Stimme.
    »Habt ihr das als Thema bekommen?« fragte Vaslav.
    »Oh! Vorsicht!« sagte ich und forderte ihn mit der gleichen Geste wie Suzy und Roma zum Schweigen auf.
    Irgend jemand fragte, ob es Spallanzani gegeben habe. Natürlich hat es ihn gegeben. Ursprünglich hatte ich daran gedacht, ein Buch zu schreiben, in dem ein Salamander und die heilige Katharina von Siena, beide der Sage nach gegen Feuer gefeit, die Hauptfiguren sein sollten. Aus einem Grund, den ich den übrigen Gästen nicht offenbaren wollte, hatte ich dann die Protagonisten der Geschichte ausgewechselt und damit auch die eigentliche Geschichte. Für Spallanzani hatte ich mich schon seit meiner Schulzeit interessiert. Er hatte als erster eine künstliche Besamung durchgeführt, und zwar bei einer Hündin. Er beschrieb als erster die scharfen Sinne der Fledermaus, eines Tieres, das mich ebenfalls sehr interessiert. (Vgl. mein Buch Der Tanz der Fledermaus) Spallanzani war mit seinen Experimenten über Spontanzeugung ein Vorläufer von Pasteur. Er untersuchte den Blutkreislauf, die Verdauung im Magen, die Atmung und natürlich die Regeneration der Gliedmaßen bei Amphibien. Und aus diesem geheimen Grund, den ich den übrigen Gästen des Refúgio nicht offenbaren wollte, ersetzte Bufo den Salamander und trat Spallanzani an die Stelle der heiligen

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