Bufo & Spallanzani
da im Norden ist der Arcturus. Im Osten der Antares.«
»Wo ist das Kreuz des Südens?«
»Im Süden«, sagte Trindade und lachte zufrieden, »neben dem Rigel.«
Den Rigel machte keiner ausfindig, aber alle fanden unter freudigen Ausrufen das Kreuz des Südens.
»Und der Aldebaran?«
»Den kann man in diesem Monat nicht sehen. Im Juli kommt er ungefähr gegen fünf Uhr morgens.«
»Und der Beteigeuze?«
»Für den gilt das gleiche. Beide stehen im Osten. Der Beteigeuze neben dem Gestirn, das so wie unser Maestro heißt.«
»Dann heißt also ein Gestirn genau wie Sie«, sagte Euridíce.
»Prestige, meine Gute«, sagte Orion.
»Kaum zu glauben, daß ich vor kurzem noch in São Paulo war, wo es überhaupt keinen Himmel gibt«, sagte Euridíce.
»Einen solchen Himmel wie diesen hier gibt es nirgends auf der Welt«, sagte Trindade.
»Ich weiß nicht«, sagte der Maestro. »Dieses ewige Loblied auf Brasilien kann ich nicht mehr hören.«
»Da, die Glühwürmchen«, sagte Euridíce.
»Wunderschön!« sagte Juliana.
»Die Glühwürmchen?«
»Die Glühwürmchen, die Sterne, die Menschen, das Leben. Ich bekomme richtig Lust zu singen«, sagte Juliana und berührte leicht meine Hand. Sollte es unbeabsichtigt geschehen sein?
»Werd nicht übermütig, meine Liebe«, sagte Orion.
»Singen Sie uns was vor«, sagte Euridíce. Angeführt von Suzy wiederholten alle im Chor: »Singen Sie uns was vor!«
»Sie singt ein andermal«, sagte Orion.
»Ich singe jetzt«, sagte Juliana.
»Die Kälte wird dir nicht bekommen«, sagte Orion.
»Ich singe«, sagte Juliana, als stünde sie schon auf der Bühne.
Suzy setzte sich auf den Rasen, und Euridíce legte sich, den Kopf auf ihrem Schoß, daneben. Roma und Vaslav taten das gleiche, Roma mit dem Kopf auf der Brust ihres Mannes. Zum Glück war es sehr dunkel, so daß ich sie kaum sehen konnte, sonst hätte das auf mich die gleiche Wirkung gehabt wie ein Sexfilm.
Juliana fing an zu singen. Ich hatte diese Arie von Bellini schon mehrfach gehört, aber ich gestehe, die Szene war großartig: der Himmel sternenübersät und eine weibliche Stimme, die dem Universum noch mehr Schönheit und Harmonie verlieh. Als Juliana verstummte – »Quella pace, che regnar, regnar tu fai, tu fai nel ciel, tu fai nel ciel« –, blieben wir alle still.
»Jetzt müßte Frau Luna erscheinen, diese undankbare keusche Diva«, sagte Roma.
Der ästhetische Genuß hatte meine Lüsternheit noch gesteigert. Ich durfte keine Sekunde länger dort bleiben, sonst lief ich Gefahr, irgendeine Wahnsinnstat zu begehen. Rasch machte ich mich auf den Weg und verschwand in der Dunkelheit. Gleich darauf merkte ich, daß jemand hinter mir war.
»Wer ist da? Ist da jemand?« Mein Herz klopfte erwartungsvoll.
»Ich bin’s.« Die gedämpfte Stimme von Carlos. Mir fiel ein, daß sein Bungalow in derselben Richtung wie meiner lag.
Ich beschleunigte das Tempo, damit er nicht in meine Nähe kam. Wenn es etwas gibt, was mich nervös macht, dann, mit einem Mann zu reden. Als ich den Weg erreichte, der zu meinem Bungalow führte, rief ich in die Dunkelheit: »Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, antwortete Carlos. Er hatte fast an mir geklebt, und ich hatte nicht gemerkt, daß er so nah gewesen war.
Oh, erbärmliches Leben, dachte ich traurig, während ich mich auszog und meinen Seidenpyjama anzog. Diese Frauen bringen mich noch um, dachte ich, Guillot de Morfontaine hat vollkommen recht. Aber kurz darauf rekelte ich mich und murmelte, wie schön, zu schlafen. Und schlief ein.
Ich wachte früh auf, duschte und machte mich schleunigst auf den Weg zum Haupthaus. Eigentlich mußte ich den Vormittag über schreiben, aber ich warf noch nicht einmal einen Blick auf meine Notizen zu B & S. Es wäre schön gewesen, Minolta dazuhaben, damit sie mir Kraft gab.
Die Tische im Salon waren gerade für das Frühstück gedeckt worden. Auf einem großen langen Tisch standen die Frühstücksleckerbissen – verschiedene Käsesorten, darunter auch Ziegen- und Schafskäse, dreierlei Bananenarten, Apfelsinen, Mangos, Pflaumen, Papayas, Jabuticabas, Honig, Maisgebäck, Käsetaschen, Toast, Joghurt et cetera. Ich häufte Käse, Gebäck, Brötchen und Obst, einen Tiegel Butter, einen Becher Joghurt und Honig auf zwei Teller und ging, während mir das Wasser im Munde zusammenlief, an einen Tisch. Ein Hausmädchen brachte Kaffee mit Milch und fragte, ob ich Eier wolle. Ich sagte nein, aber Trindade, der in der Nähe an einem Tisch beim Frühstück
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